Humpelrock und Vatermörder: Die Geschichte der Mode von 1900 bis 1930
Die Geschichte der Mode von 1900 bis 1930: Vom Humpelrock und Vatermörderkragen zur trag- und tanzbaren Flapper-Mode der Goldenen Zwanziger Jahre
Die Jahrhundertwende: Fest verschnürt
Ende des 19. Jahrhunderts begann das, was heute oft als „nervöses Zeitalter” bezeichnet wird: Vor allem Frauen fielen reihenweise in Ohnmacht und mussten mittels sogenannter Riechfläschchen (häufig nicht lecker, weil stechend riechendes Aceton drin war) ins Hier und Jetzt zurückbefördert werden.
Belle Epoque: Dame im roten Kostüm mit Wagenradhut
Lange Zeit hielt man diese Ohnmachtsanfälle für eine Modeerscheinung, mit der die Damen (und Herren) der feinen Gesellschaft ihr zartes Wesen und ihre Empfindsamkeit unterstreichen wollten.
Heute geht man davon aus, dass Frauen, aber auch viele Männer nicht zum Spaß umfielen oder ihre Blackouts simulierten, sondern dass ernsthafte Gründe hinter der Neigung zur Ohnmacht steckten.
Denn besonders die sensibleren Zeitgenossen der sogenannten Belle Epoque (1884 – 1914) standen unter chronischem Stress.
Viele verkrafteten die neue Geschwindigkeit dieser Epoche einfach nicht – beispielsweise die noch relativ neue Eisenbahn als Transportmittel, aber auch die ersten Automobile, die mit einer nie dagewesenen Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h durch die Städte brausten.
Die Industrialisierung, die Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts so richtig in Schwung kam, der Fortschritt auf allen Gebieten und die damit verbundenen gesellschaftlichen Umbrüche raubten vielen Menschen im wahrsten Sinn des Wortes den Atem.
Die Mode – und damit verbunden das unvermeidliche Korsett – gab vielen Frauen den Rest.
Oben schmal und unten bauschig galt seit Jahrhunderten als ideale Silhouette für einen bekleideten Frauenkörper, der zart und anmutig wirken sollte.
Dieses Ideal konnten die meisten nur erreichen, wenn sie Busen, Bauch und Po fest verschnürten und wegzurrten. Keine Frau, die etwas auf sich hielt, kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts ohne Korsett oder Mieder aus.
Eine kurze Geschichte des Korsetts
Erfunden“ hatte man die Verschnürungen im Mittelalter als Stütze, um hochwohlgeborenen Männern und Frauen das Tragen ihrer schweren Mäntel, Schleppen und Schleier aus Samt, Brokat und anderen schweren, oft mit Gold und Edelsteinen besetzten Stoffe während langwieriger Hofzeremonien im Stehen zu erleichtern.
Patentzeichnung für ein Korsett, 1913
In der Herrenmode verschwanden die künstlichen Stützen mitsamt wallenden Gewändern nach und nach und wurden von den wesentlich praktischeren Hosen als Beinbekleidung ersetzt.
Zurück blieb das Korsett für den Herren nur als sogenannter „Bauchgürtel“, der sich vor allem bei besonders Wohlbeleibten großer Beliebtheit erfreute. Beispielsweise beim britischen König George IV., der damit seine überquellende Leibesfülle zu kaschieren versuchte.
In der Damenmode hielten sich Korsetts aus Fischbein, Leder und Metall dagegen hartnäckig: Mal als Push-up um Busen und Dekolleté besonders in Szene zu setzen, und dann wieder, um sämtliche Formen sittsam wegzudrücken.
Was den weiblichen Körper in Form hielt, wurde in vielen Epochen unter der Robe versteckt, manchmal durfte es ein bisschen hervorblitzen oder wurde sogar als reichverziertes Mieder sehr sexy über der eigentlichen Kleidung getragen.
Aber egal, ob versteckt oder offen zur Schau gestellt – eins hatten alle Korsetts, Turnüren und Mieder gemeinsam: Sie schnürten ein.
„Über die Schädlichkeit der Schnürbrüste“ beschwerte sich der deutsche Anatom Samuel Thomas von Sömmeringen in einer Schrift von 1788. Aber sein Ruf verhallte ungehört ebenso wie die besorgten Warnungen einiger weniger anderer.
- Nur in den von den alten Griechen, der französischen Revolution und Napoleon inspirierten Modeepochen Directoire und Empire (1795 bis 1815/20) gab es eine kurze Verschnaufpause für den eingeschnürten weiblichen Teil der Bevölkerung: In dieser Zeit verzichtete man auf körperverformenden Mittel und Frauen trugen unter ihren zarten Empire-Kleidern lediglich unterstützende Brustbänder.
Die lockeren Zeiten waren bald vorbei und das Korsett kam zurück: Ab 1820 wurde es wieder eingeführt, auch als Zeichen dafür, dass mit den nachlässigen Sitten der französischen Revolution ein für alle Mal Schluss sein sollte.
Fast wie zur Strafe wurde das Korsett von nun an immer länger und modellierte die Taille und die Hüften schließlich zur Kürasstaille, die idealerweise auf einen Umfang von 43 bis 53 cm geschnürt werden sollte.
Die korsettierte Dame nahm dadurch automatisch eine S‑förmige Körperhaltung ein; der Oberkörper wurde nach vorne gedrückt und ein Hohlkreuz entstand, wodurch das Gesäß stärker betont wurde.
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Auch ohne Korsett …
kann das Leben manchmal ganz schön anstrengend sein.
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Humpelrock und Vatermörder
Ausgerechnet in einer Zeit, in der Frauen zunehmend selbstbewusster wurden, nicht mehr länger nur die zarte und anmutige Zierde eines (Ehe-)Mannes sein wollten und sogar sportliche Aktivitäten wie beispielsweise Tennisspielen, Fahrrad- oder sogar Autofahren für sich entdeckten, gewährten Mode und Kleiderordnung immer weniger Beinfreiheit.
Satirische Postkarte, ca. 1911 Bildunterschrift: „Was das ist? Ein Rock mit Geschwindigkeitsbeschränkung!“
1910 sorgte der vom damals tonangebenden Pariser Modeschöpfer Paul Poiret kreierte Humpelrock für Furore; ein extrem eng geschnittener knöchellanger Rock, dessen Rocksaum durch eine enge Bordüre zusätzlich verstärkt wurde.
Um den engen Rocksaum nicht zu zerreißen, wurde der Humpelrock oft mit einer sogenannten Fußfessel getragen, einem breiten Band, mit denen die Waden zusammengebunden wurden, damit die modebewusste Dame bloß nicht aus Versehen einen großen Ausfallschritt machen und ihren feinen Rock zur Explosion bringen konnte.
Aber auch den Männern ging es nicht viel besser.
Zwar blieben ihnen Korsetts und sorgfältig ondulierte Hochsteckfrisuren (manchmal mit alten Brötchen unter den Haaren fürs nötige Volumen), auf denen mit Federn reichverzierte „Wagenräder“ thronten, erspart, aber von echtem Tragekomfort konnte auch bei der Mode für den Herren nicht die Rede sein.
Dafür sorgte unter anderem der Vatermörderkragen, ein steifer, vorne offener Stehkragen, der ans Oberhemd geknöpft wurde und weit über das Kinn und die darüber breit gewickelte Krawatte hinausragte.
Familie Münzberg, ca. 1899, Kinder im Matrosenanzug
Der Vatermörder hatte seine Hoch-Zeit in den 1820er und 1830er Jahren, blieb den Männern aber mit einigen Abwandlungen bei offiziellen Anlässen bis ins 20. Jahrhundert erhalten.
Besonders im Sommer war er eine schweißtreibende und vor allem kratzige Tortur.
Steif, unbequem und unpraktisch – je mehr das beginnende 20. Jahrhundert seine Fassung zu verlieren drohte, desto stärker mussten offenbar Mode und Kleiderordnung dafür sorgen, dass Männer, Frauen und Kinder ihre Façon behielten.
- Zwar gab es seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine kleine Gruppe von Künstlern, die versuchten, die Frauen durch weitschwingende „Reformkleider“ vom Korsett zu befreien, aber diese Idee setzte sich nicht durch.
Dafür setzte Kaiser Wilhelm II. mit seiner Leidenschaft für Schiffe einen neuen Modetrend und kreierte damit ganz nebenbei den Matrosen-Look, der erst Eingang in die Kindermode, später auch in die Mode für Damen fand.
Schiff ahoi!
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Kriegskrinoline
Während bei der Herrenmode zu Beginn des 20. Jahrhunderts Großbritannien tonangebend war – um 1900 galt der spätere König Edward VII. als Stilikone, in den 1930er Jahren der Herzog von Windsor – orientierten sich die Damen, die es sich leisten konnten, an den Star-Couturiers in Paris.
Ab dem 1. August 1914 war das im Deutschen Kaiserreich ein Problem, denn man führte Krieg gegen beide Länder.
- Ende 1914 wurde deshalb sogar ein Reichsausschuss gebildet, in dem über eine eigene deutsche Mode, eine „teutsche Tracht“, diskutiert werden sollte. Die Diskussion versandete schnell, schließlich hatte man ganz andere Probleme. Verdun beispielsweise und die Seeblockade deutscher Häfen durch die Briten, die sehr schnell zu Hunger und Elend im deutschen Kaiserreich führte.
Kriegsmode: kleines Mädchen ca. 1916 in einer Art Kriegskrinoline. Der einst besonders für Kinder gefeierte “Matrosen-Look” verschwand im Lauf des 1. Weltkriegs
Ab 1915 kam europaweit für Frauen die sogenannte Kriegskrinoline in Mode, ein weiter Rock aus einfachem Stoff und ohne Verzierungen, unter dem zahlreiche Unterröcke getragen wurden.
Ersonnen hatte diese Kreation nicht die Haute Couture, sondern „einfache“ Schneiderinnen als Antwort auf die zunehmende Materialknappheit während des Krieges — und als Rückbesinnung auf vermeintlich bessere Zeiten.
Immerhin: Die Kriegskrinoline reichte nur noch bis zur Wade, wurde aber mit hohen Schnürstiefeln getragen, um bloß nicht zu viel Bein zu zeigen.
Die Kriegsrealität vieler Frauen war allerdings weit entfernt von der Frage „Was ziehe ich heute an?“
Da Frauen im Zivilleben die Männer, die an der Front kämpften, ersetzen mussten und in Munitionsfabriken schufteten oder als Krankenschwestern und Straßenbahnschaffnerinnen „ihren Mann standen“, griffen sie zu Schürzenhosen, Blusen und Hemdhosen oder trugen gleich die Arbeitskleidung ihrer Männer.
Die lange Hose für die Dame, mit der der Humpelrock-Erfinder Paul Poiret 1910 einen weiteren Skandal hervorrief, wurde zum normalen Kleidungsstück für Frauen.
Die Goldenen Zwanziger Jahre: Bubikopf und Flapper
Bereits vor dem Krieg hatte sich eine junge Hutmacherin namens Coco (Gabrielle) Chanel einen Namen gemacht und in Paris und im französischen Badeort Deauville ihre ersten eigenen Modesalons eröffnet, in denen sie ihre revolutionär schlichten Entwürfe verkaufte.
Hutmodell Coco Chanel, 1912
Diesem Stil blieb sie während und nach dem Krieg treu und entwarf einfache, gerade geschnittene und wadenlange Kleider aus Baumwolle.
Taille, Busen und Hüfte wurden ignorierten, weshalb das Korsett überflüssig wurde. Die geraden Etuikleider und lose fallende Hemdblusenkleider waren ebenso praktisch wie angenehm zu tragen und stoffsparend.
„… Es deutete sich an, dass die Herrschaft des Korsetts sich ebenso ihrem Ende näherte wie die extravaganten Silhouetten mit ihren hoch getürmten Hinterteilen, flach gepressten Bäuchen und ragenden Busen …“
Gertrud Lehnert, Frauen mit Stil: Modeträume aus drei Jahrhunderten*
Die riesigen Wagenrad-Hüte als weibliche Kopfbedeckung waren bereits in den Kriegsjahren einen stillen Mode-Tod gestorben, doch nun, nach den Jahren des verheerenden Krieges und in einer Zeit voller Unruhen, Arbeitslosigkeit und Not, ging es auch anderen alten Zöpfen an den Kragen.
Bereits vor 1920 sah man Coco Chanel und andere Trendsetterinnen mit einer Kurzhaarfrisur in der Art eines Pagenkopfs: der Bubikopf war geboren. Er trat in rasender Geschwindigkeit seinen Siegeszug unter den Frauen auf der ganzen Welt an. Androgynie hieß das Zauberwort der Stunde.
Flapper werden die jungen selbstbewussten und berufstätigen Frauen genannt, die kurze Haare und kurze Kleider tragen, auf gutes Benehmen pfeifen, in der Öffentlichkeit rauchen, Hochprozentiges trinken und leidenschaftlich die neuen und schockierenden Tänze wie Charleston und Foxtrott oder den skandalösen Shimmy tanzen.
Die Mode wird nicht nur trag- und tanzbarer, sondern auch demokratischer.
Mit Strumpfhosen aus Kunstseide und anderen neue Materialien wie Kunstwolle und Viskose konnten sich auch Frauen mit kleinem Geldbeutel modische Kleidung leisten.
Mode und Emanzipation
Es sind die Frauen, die während und nach dem ersten Weltkrieg die größte Wandlung erleben.
Die Röcke werden kürzer und die wallende Haarpracht — vor dem Krieg noch aufgetürmt zu komplizierten Hochsteckfrsuren — fällt landauf und landab.
Auch wenn der Bubikopf noch bei vielen verpönt ist; noch 1928 werden zwei Krankenpflegerinnen im jüdischen Krankenhaus Köln entlassen, weil sie sich einen Bubikopf haben schneiden lassen.
Die emanzipierte Frau am Steuer eines Autos ist d a s Bild der neuen Frau in den 1920er Jahren.
Die meisten normalen Frauen, die als Telefonistinnen, Verkäuferinnen oder Stenotypistinnen arbeiten und ein ziemlich hartes und schlecht bezahltes Leben fristen, können sich keinen luxuriösen Lebensstil leisten.
Trotzdem eifern alle den höheren Töchtern aus gutsituierten Elternhäusern wie Erika Mann und Annemarie Schwarzenbach nach, die in den Illustrierten abgebildet sind: beim Autofahren und Tennisspielen, auf eleganten Partys und Kinopremieren.
Es gibt unzählige Titelbilder und Werbeillustrationen, in denen schöne Frauen am Steuer schöner Autos sitzen (oft in Begleitung eines schönen Windhunds). Frauen machten in den 1920er Jahren mobil, denn sie wollten nicht länger hinter den “Herrenfahrern” zurückstehen.
Isadora Duncan (1877 — 1927)
Manchmal endet das automobile Abenteuer allerdings auch tragisch.
1927 verfängt sich beim Anfahren der lange Seidenschal der Tänzerin Isadora Duncan in den Speichen des Hinterrades ihres Bugatti und erdrosselte sie.
Duncan ist auf der Stelle tot; im Krankenhaus werden Frakturen der Nase, des Kehlkopfes und der Wirbelsäule sowie eine Zerreißung der Carotiden festgestellt.
Veronika, der Spargel wächst!
Auch bei den Herren lockerte sich das strenge Kleiderreglement. Modische Vorbilder waren Bühnen- und Filmstars wie Clark Gable, Richard Tauber oder Victor de Kowa.
Die trugen keine Vatermörder-Kragen, weshalb der nun endgültig in die Mottenkiste der Geschichte verschwand. Sakkos fallen jetzt lose oder nur leicht tailliert, die Hosen sind weit und bequem geschnitten.
- Mit dem Ende der Hyperinflation und dem Beginn der „Goldenen Zwanziger Jahre“ 1924 kommt für die Herren der sogenannte Stresemann-Anzug in Mode, benannt nach dem Kurzzeit-Reichskanzler und späteren Außenminister Gustav Stresemann, der ihn mit Vorliebe trug.
Der „Stresemann“ besteht aus einer schwarzen Jacke, dunkler Weste und gestreifter Hose; er erlaubt Herren, direkt aus dem Büro zu einer Abendveranstaltung zu eilen, ohne sich extra noch einmal umziehen zu müssen.
Und auch sonst wird es bequemer und einfacher: Gürtel ersetzten Hosenträger, Armbanduhren die Taschenuhr und weiche Filzhüte, ein modischer Import aus den USA, den steifen Homburg-Hut mit hochgezogener eingefasster Krempe.
Sportliche Herren tragen kurze Knickerbocker, Schirmmützen und Trenchcoat (engl. trench für „Graben, Schützengraben“; coat für „Mantel“), der Ende des 19. Jahrhunderts von den Herstellern Burberry und Aquascutum London als Mantel für die britische Armee erfunden worden war.
Die neue Leichtigkeit macht sich auch in der Musik bemerkbar.
Aus der Operette, die vor Beginn des 1. Weltkriegs die Gassenhauer lieferte, die aller Orten gesungen und gepfiffen wurden, entwickelt sich der Schlager, der mit Hilfe von Grammophon-Platten und dem noch jungen Rundfunk bald in aller Ohren ist.
Es entstehen Reime wie: „Was macht der Mayer am Himalaya“ und „Unter den Pinien von Argentinien“ oder „Mein Onkel Bumba aus Kalumba“, aber auch Evergreens mit deutlichen erotischen Botschaften.
Wer bei „Veronika, der Spargel wächst“ an Gemüse denkt, liegt falsch.
„Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben“, fragt ein anderer Schlagertext. Die jungen und selbstbewussten „Flapper“-Frauen fragen sich das auch.
Die Goldenen Zwanziger Jahre: Tanz auf dem Vulkan
Beschwingte Zeiten, aber eben auch ein Tanz auf dem Vulkan.
Von den meisten unbemerkt braut sich weit ab von den feiernden Großstädtern auf dem Land eine Agrarkrise zusammen, denn viele Bauern bewirtschaften ihre Felder noch mit Ochsengespannen und den Methoden des vergangenen Jahrhunderts.
Das ist idyllisch, bringt sie aber in die missliche Lage, dass sie nicht mit den industriell erzeugten Billigimporten aus Übersee konkurrieren können.
Jeder kann reich werden — wie ein Lebensgefühl zu einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen der Welt führte: Der „Schwarze Freitag“: Vom Börsenkrach zur Weltwirtschaftskrise
Während man in Berlin, Hamburg und München tanzt und swingt, sterben auf dem Land kaum beachtet die Höfe.
Als noch verheerender erweist sich 1929 die gigantische Spekulationsblase, die sich vor allem in den USA der „Roaring Twenties“ aufbaut.
Als diese Blase im Oktober 1929 mit einem lauten Knall platzt, reißt sie die neugewonnene Leichtigkeit nach dem 1. Weltkrieg in den Abgrund. Eines der ersten Opfer der beginnenden Weltwirtschaftskrise ab 1929 ist die Emanzipation der Frauen und ihre Mode.
Die Röcke werden länger, die Frisuren weicher, der “Garconne”-Typ macht dem “modernisierten Gretchentyp” Platz.
Hatten es berufstätige Frauen auf dem Arbeitsmarkt sowieso schon schwer — sie wurden schlechter bezahlt und wer mit 40 immer noch unverheiratet ist und sein eigenes Geld verdienen muss, gilt als “zu alt” und läuft Gefahr, aus dem Job gedrängt zu werden — , so kippt jetzt die Stimmung: Der Ruf wird lauter, dass Frauen Familienvätern und Ernährern nicht den Arbeitsplatz wegnehmen sollen …
- “Weiblich, bescheiden, hilflos — das ist die große Mode in der Mode”, heißt es 1933 in der populären Zeitschrift ‘Tempo’.
„… Und mit der Wirtschaftskrise wuchs sprunghaft die Rocklänge. Wache Modejournalistinnen wie Paula von Rezincek interpretierten die neue Rockmode als Kriegserklärung gegen die Emanzipation. “Macht euch klar, auf was ihr verzichten sollt”, schrieb sie in ‘Tempo’. “Ihr sollt aufgeben die Mode des kurzen Kleides, der knappen Linien. Und was empfiehlt man Euch dafür? Was will man Euch aufzwingen? Ihr sollt wieder eine vertrackte, versteckte, grunderlogene Weibchenhaftigkeit annoncieren, sollt bei Eurer Arbeit in Laboratorien, Büros und Fabriken den Staub mit wallenden Rocksäumen aufwirbeln …“
Aus: Harald Jähner, Höhenrausch: Das kurze Leben zwischen den Kriegen*
Die Zeiten haben sich geändert. Die Mode auch.
Copyright: Agentur für Bildbiographien, www.bildbiographien.de, 2022 (überarbeitet 2024)
Lesen Sie im nächsten Beitrag: Der „Schwarze Freitag“ ist in Wirklichkeit ein Donnerstag. Am 24. Oktober 1929 beginnen an der New Yorker Wall Street die Aktienkurse zu rutschen. Gegen Mittag wird aus Nervosität Panik, der Dow Jones sackt ab, der Handel bricht mehrmals zusammen. Der Crash wird schließlich zur Wirtschaftskrise, weil jeder versucht zu retten, was noch zu retten ist — egal, zu welchem Preis.
Der schwarze Freitag. Vom Börsenkrach zur Weltwirtschaftskrise
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Bildnachweise:
Dame im roten Kleid mit Wagenradhut, Edwardian, Darkmoon Art, Pixabay License
Patentzeichnung Korsett (USA), 1913, Gemeinfrei
Satirische Postkarte, ca. 1911. Bildunterschrift: „Was das ist? Ein Rock mit Geschwindigkeitsbeschränkung!“, Gemeinfrei
Kinder im Matrosenanzug, Familie Münzberg, 1899, Privatarchiv Ilse Schulz/Heidi Marx
Hutmodell von Coco Chanel (1912), Talbot (photographer) & Gabrielle Chanel (designer) — Originally published in Les Modes no. 137 (page 8), Gemeinfrei. Originaltitel: Mlle Gabrielle Dorziat wearing one of Chanel’s first hats. Photograph by Talbot.
1920er Jahre, Flapper, 6563351, Pixabay License
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