Humpelrock und Vatermörder: Die Geschichte der Mode von 1900 bis 1930

Geschichte der Mode 1900 bis 1930 Generationengespräch

Die Geschich­te der Mode von 1900 bis 1930: Es gibt kaum eine Epo­che, in der sich modisch so viel bewegt hat wie in den 30 Jah­ren zwi­schen dem wil­hel­mi­ni­schen Kai­ser­reich und den Gol­de­nen Zwan­zi­ger Jah­re.

Als Kor­setts und Wagen­rad­hü­te eben­so auf den Müll­hau­fen der Geschich­te flo­gen wie Hosen­trä­ger und Vater­mör­der­kra­gen — und war­um sie es taten. 

Die Jahrhundertwende: Fest verschnürt

Ende des 19. Jahr­hun­derts begann das, was heu­te oft als „ner­vö­ses Zeit­al­ter” bezeich­net wird: Vor allem Frau­en fie­len rei­hen­wei­se in Ohn­macht und muss­ten mit­tels soge­nann­ter Riech­fläsch­chen (häu­fig nicht lecker, weil ste­chend rie­chen­des Ace­ton drin war) ins Hier und Jetzt zurück­be­för­dert werden.

Lan­ge Zeit hielt man die­se Ohn­machts­an­fäl­le für eine Mode­er­schei­nung, mit der die Damen der bes­se­ren Gesell­schaft ihr zar­tes Wesen und ihre Emp­find­sam­keit unter­strei­chen wollten.

Heu­te geht man davon aus, dass Frau­en, aber auch vie­le Män­ner nicht zum Spaß umfie­len oder ihre Black­outs simu­lier­ten, son­dern dass ernst­haf­te Grün­de hin­ter der Nei­gung zur Ohn­macht steckten.

Denn beson­ders die sen­si­ble­ren Zeit­ge­nos­sen der soge­nann­ten Bel­le Epo­que (1884 – 1914) stan­den unter chro­ni­schem Stress.

Geschichte der Mode 1900 bis 1930 Wagenradhut und Korsett Generationengespräch
Dame im roten Kos­tüm mit Wagenradhut

Vie­le ver­kraf­te­ten die neue Geschwin­dig­keit die­ser Epo­che ein­fach nicht – bei­spiels­wei­se die noch rela­tiv neue Eisen­bahn als Trans­port­mit­tel, aber auch die ers­ten Auto­mo­bi­le, die mit einer nie dage­we­se­nen Geschwin­dig­keit von bis zu 30 km/h durch die Städ­te brausten.

Die Indus­tria­li­sie­rung, die Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts so rich­tig in Schwung kam, und ganz all­ge­mein der Fort­schritt auf allen Gebie­ten und die damit ver­bun­de­nen gesell­schaft­li­chen Umbrü­che raub­ten vie­len Men­schen im wahrs­ten Sinn des Wor­tes den Atem.

Die Mode – und damit ver­bun­den das unver­meid­li­che Kor­sett – gab vie­len Frau­en den Rest.

Oben schmal und unten bau­schig galt seit Jahr­hun­der­ten als idea­le Sil­hou­et­te für einen beklei­de­ten Frau­en­kör­per, der zart und anmu­tig wir­ken soll­te. Die­ses Ide­al konn­ten die meis­ten nur errei­chen, wenn sie Busen, Bauch und Po fest ver­schnür­ten und weg­zurr­ten. Kei­ne Frau, die etwas auf sich hielt, kam zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts ohne Kor­sett oder Mie­der aus.

Eine kurze Geschichte des Korsetts

Erfun­den“ hat­te man die Ver­schnü­run­gen im Mit­tel­al­ter als Stüt­ze, um hoch­wohl­ge­bo­re­nen Män­nern und Frau­en das Tra­gen ihrer schwe­ren Män­tel, Schlep­pen und Schlei­er aus Samt, Bro­kat und ande­ren schwe­ren, oft mit Gold und Edel­stei­nen besetz­ten Stof­fe wäh­rend lang­wie­ri­ger Hof­ze­re­mo­nien im Ste­hen zu erleichtern.

In der Her­ren­mo­de ver­schwan­den die künst­li­chen Stüt­zen mit­samt wal­len­den Gewän­dern nach und nach und wur­den von den wesent­lich prak­ti­sche­ren Hosen als Bein­be­klei­dung ersetzt.

Zurück blieb das Kor­sett für den Her­ren nur als soge­nann­ter „Bauch­gür­tel“, der sich vor allem bei beson­ders Wohl­be­leib­ten gro­ßer Beliebt­heit erfreu­te. Bei­spiels­wei­se beim bri­ti­schen König Geor­ge IV., der damit sei­ne über­quel­len­de Lei­bes­fül­le zu kaschie­ren versuchte.

In der Damen­mo­de hiel­ten sich Kor­setts aus Fisch­bein, Leder und Metall dage­gen hart­nä­ckig: Mal als Push-up um Busen und Dekol­le­té beson­ders in Sze­ne zu set­zen, und dann wie­der, um sämt­li­che For­men sitt­sam wegzudrücken. 

Geschichte der Mode 1900 bis 1930 Korsett Generationenegespräch
Patent­zeich­nung für ein Kor­sett, 1913

Was den weib­li­chen Kör­per in Form hielt, wur­de in vie­len Epo­chen unter der Robe ver­steckt, manch­mal durf­te es ein biss­chen her­vor­blit­zen oder wur­de sogar als reich­ver­zier­tes Mie­der sehr sexy über der eigent­li­chen Klei­dung getragen.

Aber egal, ob ver­steckt oder offen zur Schau gestellt – eins hat­ten alle Kor­setts, Tur­nü­ren und Mie­der gemein­sam: Sie schnür­ten ein.

Über die Schäd­lich­keit der Schnür­brüs­tebeschwer­te sich der deut­sche Ana­tom Samu­el Tho­mas von Söm­me­rin­gen in einer Schrift von 1788, aber sein Ruf ver­hall­te unge­hört eben­so wie die besorg­ten War­nun­gen eini­ger weni­ger anderer.

Mätressenwirtschaft Revolution und die große Liebe Marie Antoinette Generationengespräch
Mätres­sen­wirt­schaft, Revo­lu­ti­on und die gro­ße Liebe

Nur in den von den alten Grie­chen, der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on und Napo­le­on inspi­rier­ten Modee­po­chen Direc­toire und Empire (1795 bis 1815/20) gab es eine kur­ze Ver­schnauf­pau­se für den ein­ge­schnür­ten weib­li­chen Teil der Bevöl­ke­rung: In die­ser Zeit ver­zich­te­te man auf kör­per­ver­for­men­den Mit­tel und Frau­en tru­gen unter ihren zar­ten Empire-Klei­dern ledig­lich unter­stüt­zen­de Brustbänder.

Die locke­ren Zei­ten waren bald vor­bei und das Kor­sett kam zurück: Ab 1820 wur­de es wie­der ein­ge­führt, auch als Zei­chen dafür, dass mit den nach­läs­si­gen Sit­ten der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on ein für alle Mal Schluss sein sollte.

Fast wie zur Stra­fe wur­de das Kor­sett von nun an immer län­ger und model­lier­te die Tail­le und die Hüf­ten schließ­lich zur Kür­ass­tail­le, die idea­ler­wei­se auf einen Umfang von 43 bis 53 cm geschnürt wer­den soll­te. Die kor­set­tier­te Dame nahm dadurch auto­ma­tisch eine S‑förmige Kör­per­hal­tung ein; der Ober­kör­per wur­de nach vor­ne gedrückt und ein Hohl­kreuz ent­stand, wodurch das Gesäß stär­ker betont wurde.

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Humpelrock und Vatermörder

Aus­ge­rech­net in einer Zeit, in der Frau­en zuneh­mend selbst­be­wuss­ter wur­den, nicht mehr län­ger nur die zar­te und anmu­ti­ge Zier­de eines (Ehe-)Mannes sein woll­ten und sogar sport­li­che Akti­vi­tä­ten wie bei­spiels­wei­se Ten­nis­spie­len, Fahr­rad- oder sogar Auto­fah­ren für sich ent­deck­ten, gewähr­ten Mode und Klei­der­ord­nung immer weni­ger Beinfreiheit.

1910 sorg­te der vom damals ton­an­ge­ben­den Pari­ser Mode­schöp­fer Paul Poi­ret kre­ierte Hum­pel­rock für Furo­re; ein extrem eng geschnit­te­ner knö­chel­lan­ger Rock, des­sen Rock­saum durch eine enge Bor­dü­re zusätz­lich ver­stärkt wurde.

Um den engen Rock­saum nicht zu zer­rei­ßen, wur­de der Hum­pel­rock oft mit einer soge­nann­ten Fuß­fes­sel getra­gen, einem brei­ten Band, mit denen die Waden zusam­men­ge­bun­den wur­den, damit die mode­be­wuss­te Dame bloß nicht aus Ver­se­hen einen gro­ßen Aus­fall­schritt machen und ihren fei­nen Rock zur Explo­si­on brin­gen konnte.

Aber auch den Män­nern ging es nicht viel bes­ser.
Zwar blie­ben ihnen Kor­setts und sorg­fäl­tig ondu­lier­te Hoch­steck­fri­su­ren (manch­mal mit alten Bröt­chen unter den Haa­ren fürs nöti­ge Volu­men), auf denen mit Federn reich­ver­zier­te „Wagen­rä­der“ thron­ten, erspart, aber von ech­tem Tra­ge­kom­fort konn­te auch bei der Mode für den Her­ren nicht die Rede sein.

Die Geschichte der Mode 1910 bis 1930 Humpelrock Generationengespräch
Sati­ri­sche Post­kar­te, ca. 1911 Bild­un­ter­schrift: „Was das ist? Ein Rock mit Geschwindigkeitsbeschränkung!“

Dafür sorg­te unter ande­rem der Vater­mör­der­kra­gen, ein stei­fer, vor­ne offe­ner Steh­kra­gen, der ans Ober­hemd geknöpft wur­de und weit über das Kinn und die dar­über breit gewi­ckel­te Kra­wat­te hinausragte.

Der Vater­mör­der hat­te sei­ne Hoch-Zeit in den 1820er und 1830er Jah­ren, blieb den Män­nern aber mit eini­gen Abwand­lun­gen bei offi­zi­el­len Anläs­sen bis ins 20. Jahr­hun­dert erhal­ten. Beson­ders im Som­mer war er eine schweiß­trei­ben­de und vor allem krat­zi­ge Tortur.

Steif, unbe­quem und unprak­tisch – je mehr das begin­nen­de 20. Jahr­hun­dert sei­ne Fas­sung zu ver­lie­ren droh­te, des­to stär­ker muss­ten offen­bar Mode und Klei­der­ord­nung dafür sor­gen, dass Män­ner, Frau­en und Kin­der ihre Façon behielten.

Zwar gab es seit Mit­te des 19. Jahr­hun­derts eine klei­ne Grup­pe von Künst­lern, die ver­such­ten, die Frau­en durch weit­schwin­gen­de „Reform­klei­der“ vom Kor­sett zu befrei­en, aber die­se Idee setz­te sich nicht durch.

Dafür setz­te Kai­ser Wil­helm II. mit sei­ner Lei­den­schaft für Schif­fe einen neu­en Trend und kre­ierte damit ganz neben­bei den Matro­sen-Look, der erst Ein­gang in die Kin­der­mo­de, spä­ter auch in die Mode für Damen fand.
Schiff ahoi!  

Die Geschichte der Mode 1900 bis 1930 Matrosenanzug Generationengespräch
Fami­lie Münz­berg, ca. 1899
Kin­der im Matrosenanzug

Kriegskrinoline

Wäh­rend bei der Her­ren­mo­de zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts Groß­bri­tan­ni­en ton­an­ge­bend war – um 1900 galt der spä­te­re König Edward VII. als Sti­li­ko­ne, in den 1930er Jah­ren der Her­zog von Wind­sor – ori­en­tier­ten sich die Damen, die es sich leis­ten konn­ten, an den Star-Cou­turiers in Paris.

Ab dem 1. August 1914 war das im Deut­schen Kai­ser­reich ein Pro­blem, denn man führ­te Krieg gegen bei­de Länder.

Ende 1914 wur­de des­halb sogar ein Reichs­aus­schuss gebil­det, in dem über eine eige­ne deut­sche Mode, eine „teut­sche Tracht“, dis­ku­tiert wer­den soll­te. Die Dis­kus­si­on ver­san­de­te schnell, schließ­lich hat­te man ganz ande­re Pro­ble­me. Ver­dun bei­spiels­wei­se und die See­blo­cka­de deut­scher Häfen durch die Bri­ten, die sehr schnell zu Hun­ger und Elend im deut­schen Kai­ser­reich führte.

Ab 1915 kam euro­pa­weit für Frau­en die soge­nann­te Kriegs­kri­no­li­ne in Mode, ein wei­ter Rock aus ein­fa­chem Stoff und ohne Ver­zie­run­gen, unter dem zahl­rei­che Unter­rö­cke getra­gen wurden.

Erson­nen hat­te die­se Krea­ti­on nicht die Hau­te Cou­ture, son­dern „ein­fa­che“ Schnei­de­rin­nen als Ant­wort auf die zuneh­men­de Mate­ri­al­knapp­heit wäh­rend des Krie­ges und als Rück­be­sin­nung auf ver­meint­lich bes­se­re Zei­ten. Immer­hin: Die Kriegs­kri­no­li­ne reich­te nur noch bis zur Wade, wur­de aber mit hohen Schnür­stie­feln getra­gen, um bloß nicht zu viel Bein zu zeigen.

Die Kriegs­rea­li­tät vie­ler Frau­en war aller­dings weit ent­fernt von der Fra­ge „Was zie­he ich heu­te an?

Da Frau­en im Zivil­le­ben die Män­ner, die an der Front kämpf­ten, erset­zen muss­ten und in Muni­ti­ons­fa­bri­ken schuf­te­ten oder als Kran­ken­schwes­tern und Stra­ßen­bahn­schaff­ne­rin­nen „ihren Mann stan­den“, grif­fen sie zu Schür­zen­ho­sen, Blu­sen und Hemd­ho­sen oder tru­gen gleich die Arbeits­klei­dung ihrer Männer. 

Die lan­ge Hose für die Dame, mit der der Hum­pel­rock-Erfin­der Paul Poi­ret 1910 einen wei­te­ren Skan­dal her­vor­rief, wur­de zum nor­ma­len Klei­dungs­stück für Frauen.

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Sehr sehens­wer­tes Info­tain­ment, mit dem ein wich­ti­ges Zeit­al­ter erzählt und erklärt wird. Spiel­sze­nen wech­seln sich mit alten Film­auf­nah­men ab — das geht unter die Haut und ist eine sehens­wer­te und authen­ti­sche Mischung von Geschich­ten und Geschich­te, die uns die­se Zeit und die Men­schen mit ihren Träu­men und Abgrün­den nahe bringt.
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Die goldenen Zwanziger Jahre: Bubikopf und Flapper

Bereits vor dem Krieg hat­te sich eine jun­ge Hut­ma­che­rin namens Coco (Gabri­el­le) Cha­nel einen Namen gemacht und in Paris und im fran­zö­si­schen Bade­ort Deau­ville ihre ers­ten eige­nen Mode­sa­lons eröff­net, in denen sie ihre revo­lu­tio­när schlich­ten Ent­wür­fe verkaufte.

Die­sem Stil blieb sie wäh­rend und nach dem Krieg treu und ent­warf ein­fa­che, gera­de geschnit­te­ne und waden­lan­ge Klei­der aus Baumwolle. 

Tail­le, Busen und Hüf­te wur­den igno­rier­ten, wes­halb das Kor­sett über­flüs­sig wur­de. Die gera­den Etui­klei­der und lose fal­len­de Hemd­blu­sen­klei­der waren eben­so prak­tisch wie ange­nehm zu tra­gen und stoffsparend.

Geschichte der Mode 1900 bis 1930 Hutmodell Coco Chanel 1912 Generationengespräch
Hut­mo­dell Coco Cha­nel, 1912

Es deu­te­te sich an, dass die Herr­schaft des Kor­setts sich eben­so ihrem Ende näher­te wie die extra­va­gan­ten Sil­hou­et­ten mit ihren hoch getürm­ten Hin­ter­tei­len, flach gepress­ten Bäu­chen und ragen­den Busen …

Ger­trud Leh­nert, Frau­en mit Stil: Mode­träu­me aus drei Jahr­hun­der­ten*

Die rie­si­gen Wagen­rad-Hüte als weib­li­che Kopf­be­de­ckung waren bereits in den Kriegs­jah­ren einen stil­len Mode-Tod gestor­ben, doch nun, nach den Jah­ren des ver­hee­ren­den Krie­ges und in einer Zeit vol­ler Unru­hen, Arbeits­lo­sig­keit und Not, ging es auch ande­ren alten Zöp­fen an den Kragen.

Bereits vor 1920 sah man Coco Cha­nel und ande­re Trend­set­te­rin­nen mit einer Kurz­haar­fri­sur in der Art eines Pagen­kopfs: der Bubi­kopf war gebo­ren. Er trat in rasen­der Geschwin­dig­keit sei­nen Sie­ges­zug unter den Frau­en auf der gan­zen Welt an. Andro­gy­nie hieß das Zau­ber­wort der Stunde.

Flap­per wur­den die jun­gen selbst­be­wuss­ten und berufs­tä­ti­gen Frau­en genannt, die kur­ze Haa­re und kur­ze Klei­der tru­gen, auf gutes Beneh­men pfif­fen, in der Öffent­lich­keit rauch­ten, Hoch­pro­zen­ti­ges tran­ken und lei­den­schaft­lich die neu­en und scho­ckie­ren­den Tän­ze wie Charles­ton und Fox­trott oder den skan­da­lö­sen Shim­my tanzten.

Die Mode wur­de nicht nur trag- und tanz­ba­rer, son­dern auch demo­kra­ti­scher.
Mit Strumpf­ho­sen aus Kunst­sei­de und ande­ren neue Mate­ria­li­en wie Kunst­wol­le und Vis­ko­se konn­ten sich auch Frau­en mit klei­nem Geld­beu­tel modi­sche Klei­dung leisten.

Die Geschichte der Mode 1900 bis 1930 Flapper 1920er Jahre Generationengespräch
„Flap­per” 1920er Jahre

Veronika, der Spargel wächst!

Auch bei den Her­ren locker­te sich das stren­ge Kleid­erre­gle­ment. Modi­sche Vor­bil­der waren Büh­nen- und Film­stars wie Clark Gab­le, Richard Tau­ber oder Vic­tor de Kowa.
Die tru­gen kei­ne Vater­mör­der-Kra­gen, wes­halb der nun end­gül­tig in die Mot­ten­kis­te der Geschich­te ver­schwand. Sak­kos fie­len jetzt lose oder nur leicht tail­liert, die Hosen waren weit und bequem geschnitten.

Mit dem Ende der Hyper­in­fla­ti­on und dem Beginn der „Gol­de­nen Zwan­zi­ger Jah­re“ 1924 kam für die Her­ren der soge­nann­te Stre­se­mann-Anzug in Mode, benannt nach dem Kurz­zeit-Reichs­kanz­ler und spä­te­ren Außen­mi­nis­ter Gus­tav Stre­se­mann, der ihn mit Vor­lie­be trug. Der „Stre­se­mann“ bestand aus einer schwar­zen Jacke, dunk­ler Wes­te und gestreif­ter Hose, und wur­de zu offi­zi­el­len Anläs­sen getragen.

Gür­tel ersetz­ten Hosen­trä­ger, Arm­band­uh­ren die Taschen­uhr und wei­che Filz­hü­te, ein modi­scher Import aus den USA, den stei­fen Hom­burg-Hut mit hoch­ge­zo­ge­ner ein­ge­fass­ter Krem­pe. Sport­li­che Her­ren tru­gen kur­ze Kni­cker­bo­cker, Schirm­müt­zen und Trench­coat (engl. trench für „Gra­ben, Schüt­zen­gra­ben“; coat für „Man­tel“), der Ende des 19. Jahr­hun­derts von den Her­stel­lern Bur­ber­ry und Aquas­cu­tum Lon­don als Man­tel für die bri­ti­sche Armee erfun­den wor­den war.

Die neue Leich­tig­keit macht sich nicht nur in der Mode breit, son­dern auch in der Musik bemerk­bar.
Aus der Ope­ret­te, die vor Beginn des 1. Welt­kriegs die Gas­sen­hau­er lie­fer­te, die aller Orten gesun­gen und gepfif­fen wur­den, ent­wi­ckelt sich der Schla­ger, der mit Hil­fe von Gram­mo­phon-Plat­ten und dem noch jun­gen Rund­funk bald in aller Ohren war.

Es ent­stan­den Rei­me wie: „Was macht der May­er am Hima­la­ya“ und „Unter den Pini­en von Argen­ti­ni­en“ oder „Mein Onkel Bum­ba aus Kal­um­ba“, aber auch Ever­greens mit deut­li­chen ero­ti­schen Bot­schaf­ten.
Wer bei „Vero­ni­ka, der Spar­gel wächst“ an Gemü­se denkt, liegt falsch. 

War­um soll eine Frau kein Ver­hält­nis haben“, fragt ein ande­rer Schla­ger­text. Die jun­gen und selbst­be­wuss­ten „Flap­per“-Frau­en frag­ten sich das auch.

Geschichte der Mode 1900 bis 1930 Charleston Kleid 1920er Jahre Generationengespräch
„Flap­per” 1920er Jahre

Tanz auf dem Vulkan

Beschwing­te Zei­ten, aber eben auch ein Tanz auf dem Vul­kan. Von den meis­ten unbe­merkt braut sich weit ab von den fei­ern­den Groß­städ­tern auf dem Land eine Agrar­kri­se zusam­men, denn vie­le Bau­ern bewirt­schaf­ten ihre Fel­der noch mit Och­sen­ge­span­nen und den Metho­den des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts. Das ist idyl­lisch, bringt sie aber in die miss­li­che Lage, dass sie nicht mit den indus­tri­ell erzeug­ten Bil­lig­im­por­ten aus Über­see kon­kur­rie­ren können.

Wäh­rend man in Ber­lin, Ham­burg und Mün­chen tanzt und swingt, ster­ben auf dem Land kaum beach­tet die Höfe.

Als noch ver­hee­ren­der wird sich aller­dings die gigan­ti­sche Spe­ku­la­ti­ons­bla­se erwei­sen, die sich vor allem in den USA in den „Roaring Twen­ties“ zusammenballt.

Als sie im Okto­ber 1929 platzt, reißt sie die neu­ge­won­ne­ne Leich­tig­keit nach dem 1. Welt­krieg in den Abgrund und nimmt als ers­tes die Eman­zi­pa­ti­on der Frau­en und ihre Mode mit.

1929 Vom Börsencrash zur Weltwirtschaftskrise

Copy­right: Agen­tur für Bild­bio­gra­phien, www​.bild​bio​gra​phien​.de, 2022 (über­ar­bei­tet 2024)

Lesen Sie im nächs­ten Bei­trag: Tat­säch­lich ist der „Schwar­ze Frei­tag“ ein Don­ners­tag. Am 24. Okto­ber 1929 begin­nen an der New Yor­ker Wall Street die Akti­en­kur­se zu rut­schen. Gegen Mit­tag wird aus Ner­vo­si­tät Panik, der Dow Jones sackt ab, der Han­del bricht mehr­mals zusam­men. Der Crash wird schließ­lich zur Wirt­schafts­kri­se, weil jeder ver­sucht zu ret­ten, was noch zu ret­ten ist — egal, zu wel­chem Preis.
Der schwar­ze Frei­tag. Vom Bör­sen­krach zur Weltwirtschaftskrise

Buch- und Filmempfehlungen:

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Die Geschich­te der Mode aus drei Jahr­hun­der­ten mit wun­der­schö­nen Illus­tra­tio­nen und sehr unter­halt­sam erzählt. Egal, ob die Mar­qui­se de Pom­pa­dour, Coco Cha­nel oder die unbe­kann­te jun­ge Dame in Abend­ro­be um 1900 — sie alle erzäh­len ihre ganz per­sön­li­che Mode-Geschich­te, die auch immer eines des guten Stils ist. Lesens­wert für alle, die sich für Stil und Mode inter­es­sie­ren!

Ger­trud Leh­nert, Frau­en mit Stil: Mode­träu­me aus drei Jahr­hun­der­ten*, Insel Ver­lag; 2017

Ein sehr schön illus­trier­tes und gleich­zei­tig gut ver­ständ­li­ches und kom­pak­tes Buch zum Schmö­kern und Nach­schla­gen über Mode und die Geschich­te der Mode von den Anfän­gen bis zum 21. Jahr­hun­dert. Für Pro­fis ein abso­lu­tes “Must-Have”, aber auch für alle ande­ren, die sich für Mode und Mode­ge­schich­te inter­es­sie­ren, sehr emp­feh­lens­wert!

Gun­du­la Wol­ter, Ingrid Losch­ek, Reclams Mode- und Kos­tüm­le­xi­kon*, ‎ Reclam; 6. aktua­li­sier­te und erwei­ter­te Edi­ti­on, 2011

Die Psy­cho­lo­gin Jen­ni­fer Baum­gart­ner über unse­ren Klei­dungs­stil, der mehr über uns ver­rät, als wir glau­ben. Zeig’ mir dei­nen Klei­der­schrank, und ich sag’ dir, wer du bist …
Wie man mit einem neu­en Style neue Impul­se für Ver­än­de­run­gen im gan­zen Leben set­zen und sich schon­mal so klei­den kann, wie man wer­den möch­te, zeigt Baum­gart­ner in die­sem lesens­wer­ten Buch auch. Mit vie­len prak­ti­schen Tipps und Klei­der­schrank-Psy­cho­lo­gie, über die es sich nach­zu­den­ken lohnt. Denn: Selbst­für­sor­ge beginnt immer mit Selbst­ent­de­ckung (Baum­gart­ner).

Dr. Jen­ni­fer Baum­gart­ner, Fashion — Was ver­rät mein Stil über mich?*, Gold­mann Ver­lag, 2015

Flo­ri­an Illies’ neu­es Buch
über Lie­be und Hass in der Zeit von 1929 bis 1939.
Er bleibt sei­nem Kon­zept aus 1913: Der Som­mer des Jahr­hun­derts* treu und erzählt span­nend, nach­voll­zieh­bar und mit wun­der­bar leich­ter Hand gro­ße Geschich­te in vie­len klei­nen Geschich­ten. Sehr lesens­wert — man legt es nicht mehr frei­wil­lig zur Sei­te.
Flo­ri­an Illies, Lie­be in Zei­ten des Has­ses: Chro­nik eines Gefühls 1929 — 1939*, S. FISCHER 2021

Das beschwing­te Lebens­ge­fühl der Deut­schen Ende der 1920er Jah­re, die Zer­ris­sen­heit der Wei­ma­rer Repu­blik zwi­schen Ewig­gest­ri­gen und Auf­bruch und ein span­nen­der Kri­mi nach Vol­ker Kut­schers Gere­on-Rath-Kri­mi­rei­he*.
Eine sehens­wer­te Serie für alle, die sich für die Zwan­zi­ger Jah­re und Zeit­ge­schich­te begeis­tern.

Tom Tykwers Baby­lon Ber­lin Staf­fel 1–3*, 2020, FSK 12

The Roaring Twenties Buchemmpfehlung Generationengespräch

Exzen­trik, Glanz und Gla­mour: Der kur­ze Rausch der Gol­de­nen Zwan­zi­ger
Die Zukunfts­hoff­nung und Lebens­freu­de der Gol­de­nen 1920er Jah­re ein­ge­fan­gen in einem wun­der­schö­nen Bild­band mit tol­len Tex­ten. Die “Roaring Twen­ties” in Ber­lin, Paris, Lon­don, Mos­kau, Rom, Lis­sa­bon, Tokio und Shang­hai — ein Feu­er­werk aus span­nen­der Geschich­te und Geschich­ten.

Det­lef Berg­horn, Mar­kus Hatt­stein, The Roaring Twen­ties. Die wil­de Welt der 20er*, ‎wbg Theiss in Wis­sen­schaft­li­che Buch­ge­sell­schaft (WBG); 1. Edi­ti­on (31. Okto­ber 2019)

Wei­ter­füh­ren­de Links:

Sind Frau­en die bes­se­ren Men­schen? Wer schon ein­mal in die Müh­len von weib­li­chem Minus Talk oder sogar Kill Talk gera­ten ist, weiß, dass auch Frau­en nicht immer har­mo­nisch und fried­fer­tig sind. Über weib­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on, Frau­en in Füh­rung und die Sache mit der glä­ser­nen Decke.
Im Land des Lächelns: Weib­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on und ihre Tücken

Hyper­in­fla­ti­on 1923: Reichs­kanz­ler Wil­helm Cuno und sei­ne „Regie­rung der Wirt­schaft“ ver­su­chen, die Fran­zo­sen aus dem Ruhr­ge­biet zu ver­trei­ben und las­sen dafür Geld dru­cken. Sehr viel Geld. Mit kata­stro­pha­len Fol­gen für die gebeu­tel­te Wei­ma­rer Repu­blik. Es scheint nur noch eine Fra­ge der Zeit bis zum Kol­laps zu sein. Ob zum rech­ten oder lin­ken Kol­laps, ist noch nicht so ganz klar
Vom Ruhr­kampf zum Deut­schen Oktober

Krieg als “rei­ni­gen­des Gewit­ter”? Für Wil­helm II. gibt es gute Grün­de, war­um sich die Deut­schen nach der Ermor­dung des öster­rei­chisch-unga­ri­schen Thron­fol­ger­paars an einem „Denk­zet­tel für Ser­bi­en“ betei­li­gen sol­len. Ist das deut­sche Kai­ser­reich des­we­gen schuld am 1. Welt­krieg, der “Urka­ta­stro­phe des 20. Jahr­hun­derts”? Mit Sicher­heit nicht allein:
Ein Platz an der Son­ne oder: Wil­helm, das Großmaul

Auto-Bio­gra­fie: In alten Foto­gra­fien kann ziem­lich viel „Kri­mi“ ste­cken. Wenn man genau hin­sieht, offen­ba­ren sie manch­mal völ­lig neue Aspek­te in der Fami­li­en­ge­schich­te. Oder neue Geheim­nis­se. Wie aus einer Auto­bio­gra­fie plötz­lich eine Auto-Bio­gra­fie wur­de, denn auch unse­re Autos erzäh­len Fami­li­en-Geschich­te.
„Pupp­chen, Du bist mein Augen­stern“: Das Geheim­nis in alten Fotografien

Bild­nach­wei­se:

Dame im roten Kleid mit Wagen­rad­hut, Edwar­di­an, Dark­moon Art, Pix­a­bay Licen­se
Patent­zeich­nung Kor­sett (USA), 1913, Gemein­frei
Sati­ri­sche Post­kar­te, ca. 1911. Bild­un­ter­schrift: „Was das ist? Ein Rock mit Geschwindigkeits­be­schränkung!“, Gemein­frei
Kin­der im Matro­sen­an­zug, Fami­lie Münz­berg, 1899, Pri­vat­ar­chiv Ilse Schulz/Heidi Marx
Hut­mo­dell von Coco Cha­nel (1912), Tal­bot (pho­to­grapher) & Gabri­el­le Cha­nel (desi­gner) — Ori­gi­nal­ly published in Les Modes no. 137 (page 8), Gemein­frei. Ori­gi­nal­ti­tel: Mlle Gabri­el­le Dor­zi­at wea­ring one of Chanel’s first hats. Pho­to­graph by Tal­bot.
1920er Jah­re, Flap­per, 6563351, Pix­a­bay Licen­se
1920er Jah­re, Flap­per, 6563351, Pix­a­bay License

Geschichte und Psychologie Vergangenheit verstehen um mit der Zukunft besser klar zu kommen
Geschich­te & Psy­cho­lo­gie:

Vergangenes verstehen,
um mit der Zukunft besser klar zu kommen.

Ich brin­ge mit mei­nem Team Lebens‑, Fami­li­en- und Unter­neh­mens­ge­schich­ten ins Buch und schrei­be als Ghost­wri­te­rin Bücher mit den Schwer­punk­ten Geschich­te und Psy­cho­lo­gie.

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460570coo­kie-checkHum­pel­rock und Vater­mör­der: Die Geschich­te der Mode von 1900 bis 1930

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