Deutschland 1937: Das „Dritte Reich“ ist für viele Deutsche zu einer Art „Wohlfühldiktatur“ geworden mit Vollbeschäftigung und Volksgemeinschaft.
Nur die Angst vor einem möglichen neuen Krieg trübt die gute Stimmung — ab Herbst 1937 wird die “Volksgasmaske” ausgegeben.
Deutschland 1937: Kurz vor der Staatspleite
Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht ist nervös.
Die sowieso schon knappen Devisenreserven der Reichsbank schmelzen dahin; das „Reich“ führt wegen des Rohstoffhungers der Rüstungsindustrie viel zu viele Waren ein und exportiert zu wenig.
Das Außenhandelsdefizit ist riesig, die Staatsverschuldung hat schwindelerregende Höhen erreicht.
- Noch kann man das mit Hilfe der „MeFo-Wechsel“ gut verheimlichen.
Aber der Pleitegeier kreist über Deutschland. Die MeFo-Scheinwährung, die Schacht nach der „Machtergreifung“ 1933 erfunden hat, um die Wirtschaft anzukurbeln, kann das Defizit nicht ewig auffangen.
Das offizielle Haushaltsdefizit liegt bei zwei Milliarden Reichsmark, tatsächlich klafft eine Lücke von fast zehn Milliarden Reichsmark zwischen Soll und Haben. Das „Dritte Reich“ steht kurz vor der Staatspleite, was aber außer dem Wirtschaftsminister niemanden zu stören scheint.
Im Land spürt man überall, dass die Wirtschaft in eine schwere Schieflage geraten ist: Preise und Löhne sind gedeckelt, die Mieten eingefroren; für die Normalbevölkerung gibt es viele Produkte nicht mehr zu kaufen.
Wer im „Reich“ nicht zu Hitlers neuer NS-Oligarchie gehört, hat Mühe, normale Produkte des täglichen Bedarfs wie Glühbirnen zu kaufen oder Lebensmittel wie Butter.
- Denn in der Landwirtschaft herrschen überbordende Bürokratie, Korruption und akuter Arbeitskräftemangel, was immer wieder zu Versorgungsengpässen führt. Aber auch in der Industrie fehlen klare Verteilungspläne für die knappen Ressourcen Öl, Eisen, Kautschuk und Arbeitskräfte: Im Bergbau, bei der eisenverarbeitenden und in der optischen Industrie, im Fahrzeugbau und in der chemischen Industrie.
Volksgemeinschaft statt Butter
Der guten Stimmung im „Reich“ tut die Wirtschaftsmisere keinen Abbruch.
Goebbels Propagandamaschinerie läuft wie geschmiert und unzählige NS-Organisationen wie die „Hitlerjugend“ oder das nationalsozialistische „Kraft durch Freude” (KdF) Freizeitwerk sorgen für gute Stimmung, Gemeinschaftsgefühl, Freizeitgestaltung — und sogar für den nie dagewesenen Luxus einer Urlaubsreise für „Volksgenossinnen und Volksgenossen“.
Als guter Deutscher verzichtet man deshalb gerne auf Butter und Konsum und lebt im Alltag sparsam. Was für die meisten mehr zählt, ist das Gefühl, einer starken und glücklichen „Volksgemeinschaft“ anzugehören.
„Miesmacher und Kritikaster“ wie 1934 gibt es nach vier Jahren NS-Diktatur so gut wie keine mehr; für viele ist Hitler zu einer Art „Erlöser“ geworden, dem sie bedingungslos folgen.
- Der staatlich verordnete „Eintopfsonntag“ – seit 1933 sind alle Deutschen verpflichtet, im Winter am 1. Sonntag des Monats statt Sonntagsbratens Eintopf zu essen und das gesparte Geld dem Winterhilfswerk zu spenden – wird von großen Teilen der Bevölkerung ohne Murren mitgemacht, ebenso die ständigen Spendenaktionen für das Winterhilfswerk, die von unzähligen Hitlerjungen und BDM-Mädchen in Blechbüchsen gesammelt werden.
Statt Konsumgütern, die es sowieso nicht gibt, kauft man von seinem Lohn – sofern etwas übrigbleibt – lieber Sparmarken für den eigenen KdF-Wagen: Als Standardmodell in Tiefgraublau soll er in wenigen Jahren ab 990 Reichsmark zu haben sein (nach heutiger Kaufkraft etwa 5.100 Euro); als Cabrio-Limousine mit Faltdach soll es ihn für 60 Reichsmark Aufpreis geben.
Volkswagen und Autarkie
Bereits 1934 hatte Hitler bei der Eröffnung der 24. Automobil- und Motorrad-Ausstellung (IAMA) in Berlin die Aufhebung des „klassenbetonenden Charakters“ des Automobils als Verkehrsmittel nur für Wohlhabende gefordert und den Bau eines erschwinglichen Autos für alle angekündigt.
Ferdinand Porsche wird mit der Entwicklung des „Volkswagens“ beauftragt, von dem bis zum Kriegsbeginn 1939 knapp 600 Prototypen gebaut werden.
Im eigenen tiefgraublauen Volkswagen fahren die mehr als 300.000 KdF-Sparer allerdings nie; ihre Ersparnisse sind nach dem Bau des neuen Volkswagenwerks bei Fallersleben – das spätere Wolfsburg – aufgebraucht. Der 2. Weltkrieg stoppt den Bau ziviler Volkswagen schließlich ganz.
Fürs Autofahren bräuchten die Deutschen allerdings nicht nur ein Auto, sondern auch Benzin. Das ist wegen der Devisenknappheit im „Reich“ ein Problem, denn Öl muss für teures Geld importiert werden.
Deshalb ist ein weiterer zentraler Punkt in Hitlers IAMA-Eröffnungsrede 1934 bereits die Autarkie.
- Deutschland soll nach dem Willen des “Führers” nicht nur eine glückliche Volksgemeinschaft sein (natürlich nur diejenigen, die vom Staat als „arisch“ definiert werden), sondern auch eine autarke. Man will sich unabhängig machen von Importen.
Um Devisen zu sparen, aber auch, um weniger abhängig von Rohstoffen aus dem Ausland zu sein. Denn der erste Boykott gegen jüdische Geschäfte, Arztpraxen und Rechtsanwaltskanzleien am 1. April 1933 muss nach nur einem Tag beendet werden, weil es aus dem Ausland nicht nur Protestnoten, sondern auch Boykottandrohungen hagelt.
Auch davon will sich Hitler durch Autarkie unabhängig machen. Aber das sagt er natürlich nicht.
Hermann Göring: Vom Bock zum Gärtner
Nachdem Hitler im Oktober 1936 Hermann Göring zum “Bevollmächtigten des neuen Vierjahresplans” ernennt und ihm den Auftrag gibt, Deutschland und die Wehrmacht in vier Jahren kriegsbereit zu machen, beginnt ein gigantisches Wirtschaftsprogramm, um autark zu werden.
Man beginnt, aus Kohle synthetischen Treibstoff herzustellen, um weniger Öl einführen zu müssen. Die Buna-Werke in Schkopau liefern ab 1937 synthetischen Kautschuk, in Salzgitter werden die Hermann-Göring-Werke gegründet, um aus den dortigen – geringwertigen – Eisenerzvorkommen Stahl zu produzieren.
Göring ist zwar ein guter Organisator, aber gleichzeitig hat Hitler mit ihm den Bock zum Gärtner ernannt: Hitlers Vize ist der Gierigste unter den zahlreichen Gierigen, die im „Dritten Reich“ die Hand aufhalten.
- Millionen „Spenden” fließen ab 1933 in die Privatschatulle des mächtigen zweiten Manns im „Reich“; allein der Tabakkonzern Reemtsma überweist jährlich eine Million Reichsmark. Offiziell für “kulturelle Zwecke, Naturschutz und Waidwerk”. Die deutsche Autoindustrie sponsort Görings Motorjacht „Carin II” mit eineinhalb Millionen Reichsmark.
Der Magistrat der Stadt Köln überreicht Göring und seiner zweiten Gattin Emmy zur Taufe ihrer 1938 geborenen Tochter Edda das Gemälde „Madonna mit dem Kinde” von Lucas Cranach. Ein Kunstwerk von unschätzbarem Werk, das man dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum “entnimmt”. (Nach 1945 prozessiert die Stadt Köln jahrelang mit Edda Göring, um den geraubten Kunstschatz zurück zu bekommen.)
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In der deutschen Wirtschaft herrscht keine Aufbruchstimmung, sondern ein Klima der Angst: Unliebsame Konkurrenten werden durchaus auch bei der Gestapo angeschwärzt, um sie aus dem Weg zu schaffen. Kriecherei und Korruption sind üblich; Bestechlichkeit und Günstlingswirtschaft bis in die unteren Chargen des NS-Beamtenapparats durchziehen das Land wie ein wucherndes Krebsgeschwür.
„Nur für Arier“
Wer an allem Schuld hat, was nicht gut läuft, steht seit 1933 fest: die Juden.
Hitlers pathologischer Antisemitismus ist ein Grund für die ab 1933 zunehmenden Repressionen gegen diejenigen Deutschen, die das „Dritte Reich“ mit den Rassegesetzen 1935 als „Voll‑, Halb‑, Viertel- oder Achteljuden“ kategorisiert hat.
Die Wirtschaft ist ein anderer.
Jüdisches Vermögen, genauer gesagt: die schleichende Enteignung der rund 500.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland, soll die klamme NS-Wirtschaft stützen.
- Auf dem kalten Weg der Bürokratie erniedrigt man diejenigen, die man zuvor per Gesetz zu „Untermenschen“ erklärt hat, bestiehlt sie von Staats wegen und presst sie aus.
Eine neue Eskalationsstufe der antisemitischen Propaganda zündet Hitler auf dem Reichsparteitag in Nürnberg, dem „Parteitag der Arbeit“ vom 6. bis zum 13. September 1937.
Wie jedes Jahr im September bis zum Kriegsbeginn demonstriert das „Reich“ in Nürnberg seine scheinbar neugewonnene Stärke: Vollbeschäftigung und Volksgemeinschaft, das wiedergewonnene Saarland, der völkerrechtswidrige Einmarsch ins entmilitarisierte Rheinland.
- Der „Führer“ nutzt aber auch die Gelegenheit, um unter dem frenetischen Beifall seines Publikums deutsche Jüdinnen und Juden zu beschimpfen; er bezeichnet sie als „durch und durch minderwertige Rasse“, die sie sich durch „Skrupellosigkeit“ und „Gewissenlosigkeit“ auszeichnen würde.
Immer deutlicher wird das Vorhaben des NS-Regimes, durch Hass, Hetze und antisemitische Gesetze alle, die man in als „jüdisch“ definiert hat, zur Auswanderung zu zwingen.
Man braucht das jüdische Vermögen, damit der Staatshaushalt nicht zusammenbricht und um weiter aufrüsten zu können; seine Besitzer will man loswerden. Noch, indem man alles tut, um sie unter Zurücklassung ihres gesamten Besitzes aus dem Land zu treiben.
Antisemitismus ist 1937 ein prägendes Element der deutschen Gesellschaft. Es ist also kein Wunder, dass sich niemand mehr darüber aufregt, als die ersten Parkbänke mit der Aufschrift „Nur für Arier“ aufgestellt werden.
Das Ausland reagiert verhalten, schließlich gibt es zu dieser Zeit in vielen Ländern sehr ähnliche Bänke mit der Aufschrift „Nur für Weiße“.
Hitler und die Briten
Auch außenpolitische scheint das „Dritte Reich“ 1937 glänzend dazustehen. Nach den Jahren der Isolation geben sich ausländische Besucherinnen und Besucher die Klinke in die Hand.
Im Herbst 1937 sind der Duke und die Duchesse of Windsor zu Gast; der geschasste britische Kurzzeit-König Edward VIII. und seine Gattin Wallis Simpson. Das Paar, das seit Edwards Abdankung Ende 1936 im Exil leben muss, sympathisiert offen mit Hitler und Nazi-Deutschland; insgeheim erhofft sich Edward Hitlers Unterstützung für eine Rückkehr auf den britischen Thron.
Auch deshalb ist man in Großbritannien not amused über den Besuch seines Ex-Königs bei Hitler. Eine klare britische Linie, wie man mit dem deutschen „Reich“ umgehen soll, gibt es allerdings nicht.
Aus britischer Sicht ist Hitlers Deutschland zwar ein nützliches antikommunistisches Bollwerk gegen Stalin, den die Briten von allen am meisten fürchten, und man registriert mit Wohlwollen Hitlers Avancen bezüglich eines umfassenden deutsch-britischen Bündnisses.
Trotzdem ist den meisten Briten das Naziregime, das viele als eine Art besonders skurriler Form des Preußentums missverstehen, suspekt.
Der „Führer“ verliert indessen langsam die Geduld mit den zögerlichen Briten, die er nun schon seit Jahren zu umgarnen versucht. Immer mehr glaubt er daran, dass er seine Kriegsfantasien um „Lebensraum im Osten“ auch ohne ein Bündnis mit Großbritannien durchsetzen kann.
Oder mit anderen Bündnispartnern.
September 1937: Der „Duce“ in Berlin
Im September 1937 reist als erstes regierendes Staatsoberhaupt seit der „Machtergreifung“ Benito Mussolini zum offiziellen Staatsbesuch an. Man ist sich durch den gemeinsamen Kampf im Spanischen Bürgerkrieg an der Seite des Putschisten Franco nähergekommen.
Auch Italiens „Duce“ verfolgt expansive Pläne; genau wie Hitler träumt er von neuer alter Größe.
- Er will das Imperium Romanum wieder aufleben lassen und hat seinem Wunsch bereits Taten folgen lassen: Im Oktober 1935 überfallen seine Truppen völkerrechtswidrig und mit äußerster Brutalität das Kaiserreich Abessinien, heute Äthiopien und Eritrea.
Mussolini wird in Berlin mit allem verfügbaren Pomp gebührend empfangen; Tausende Schaulustige säumen die Straßen und jubeln dem vorbeifahrenden „Duce“ zu. Auch für ihn ist es der erste Staatsbesuch. Und wird sein einziger bleiben.
Mussolini genießt sichtbar Hitlers Aufmerksamkeit, der im Vorfeld die klare Anweisung gegeben hat, dass alles vermieden werden solle, was auf einen deutschen Führungsanspruch hinweisen könnte. Der „Duce“ sei da sehr empfindlich.
Offensichtlich halten sich alle an Hitlers Weisung und Mussolinis Empfindlichkeiten werden nicht verletzt. Wenige Wochen nach dem Staatsbesuch, am 6. November 1937, tritt Italien dem Antikominternpakt bei, den Deutschland bereits 1936 mit Japan geschlossen hat.
Juli 1937: Der Zweite Japanisch-Chinesische Krieg
Bereits 1936 hatten Deutschland und Japan für zunächst 5 Jahre den Pakt für den „antibolschewistischen Weltkampf“ geschlossen, der in erster Linie der Bekämpfung der Kommunistischen Internationale dienen soll.
Analog zur Komintern soll vor allem der Informationsaustausch gefördert werden; in einem geheimen Zusatzabkommen sichert man sich zudem wohlwollende Neutralität für den Fall eines Angriffs auf die Sowjetunion zu.
Denn auch das Kaiserreich Japan ist auf Expansionskurs. Es geht um Kolonien und Rohstoffe.
Im September 1931 hatte Japan nach einem inszenierten anti-japanischen Angriff auf die Strecke der Südmandschurischen Eisenbahn China im Norden angegriffen und in der Mandschurei einen Marionettenstaat namens Mandschukuo errichtet.
- Im Juli 1937 greifen die Truppen des Tenno das vom Bürgerkrieg geschwächte China erneut an. Eines der Hauptziele ist Shanghai, wo sich zahlreiche westliche Handelsmissionen befinden.
Die japanischen Militärs glauben, mit dem rückständigen China ein leichtes Spiel zu haben, aber sie irren sich. Erst Mitte November 1937 kann Japan die eingekesselte Stadt nach einem blutigen und brutalen Häuserkampf mit vielen zivilen Opfern einnehmen.
Danach marschieren japanische Truppen auf Nanjing (Nanking, „Südliche Hauptstadt“), die Hauptstadt der Kuomintang, und kesseln die Stadt ein.
Bei ihrer blutigen Eroberung am 13. Dezember 1937 verüben japanische Divisionen ein Massaker unter der Zivilbevölkerung; im Blutrausch werden bis zu 200.000 wehrlose Zivilisten und Kriegsgefangene bestialisch gefoltert und umgebracht; teilweise lebendig begraben. Etwa 20.000 Mädchen und Frauen werden vergewaltigt.
Alle westlichen Staaten sehen dem Blutbad tatenlos zu; man versucht lediglich, seine eigenen Staatsbürger aus der Todeszone zu evakuieren. Wie nahe der Krieg in Europa bereits ist, ahnt niemand.
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Die Ausgabe der ersten „Volksgasmasken“ ab Herbst 1937 sorgt dagegen im „Reich“ für Aufregung und schürt dort die Kriegsängste. Denn die meisten Deutschen wollen knapp 20 Jahre nach dem Ende des 1. Weltkriegs nichts so wenig wie einen neuen Krieg.
Doch ihr „Führer“ hat es längst anders beschlossen.
5. November 1937: Das „Hoßbach-Protokoll“
Am 5. November 1937 findet in der Reichskanzlei in Berlin eine Geheimkonferenz statt.
Anwesend sind Kriegsminister Werner von Blomberg, die Oberbefehlshaber von Heer, Marine und Luftwaffe Werner von Fritsch, Erich Raeder und Hermann Göring sowie der Außenminister Konstantin Freiherr von Neurath.
Das Protokoll, das später als „Hoßbach-Protokoll“ oder „Hoßbach-Niederschrift“ in die Geschichte eingehen wird, führt Hitlers Wehrmachts-Adjutant, Oberst Friedrich Hoßbach.
- Eigentlich soll es bei diesem Treffen um die Verteilung der knappen Rohstoffe gehen, aber der „Führer“ kommt in Fahrt und eröffnet den erstaunten Herren in einem vierstündigen Monolog seine außenpolitischen Pläne für die kommenden Jahre.
Adjutant Hoßbach schreibt eifrig mit.
Hitler beginnt seine Ausführung mit der Feststellung, dass das Ziel der deutschen Politik sein müsse, auf die „Raumnot“ Deutschlands zu reagieren. Da eine autarke Versorgung Deutschlands in seinem jetzigen Gebiet nicht möglich sei, sich die deutsche Volkswirtschaft aber nicht vom Außenhandel abhängig machen dürfe, sei eine Erweiterung des deutschen Territoriums unumgänglich.
Die Aufrüstung der Armee, Kriegsmarine, Luftwaffe sowie die Bildung des Offizierskorps seien, so Hitler, annähernd beendet. Ausstattung und Bewaffnung der Wehrmacht seien modern, würde man zu lange warten, gäbe es die Gefahr ihrer Veraltung.
Spätestens 1943 bis 1945 müsse man losschlagen, unter günstigen Bedingungen eventuell schon 1938. Zur Lösung der deutschen Frage könne es nur den Weg der Gewalt geben. Dieser könne niemals risikolos sein, aber es gäbe kein Zurück mehr.
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Die anwesenden Herren sind — bis auf Göring und Raeder — von Hitlers dramatischer Ankündigung eines unmittelbar bevorstehenden Krieges zutiefst schockiert. Statt zu applaudieren, reagieren sie skeptisch.
- Hitlers Kriegsminister Werner von Blomberg, der für die Aufrüstung der Wehrmacht zuständig ist und glaubt, ein freundschaftliches Verhältnis zum „Führer“ zu haben, wendet ein, dass es noch zu früh für einen Krieg sei.
„Ich wäre den Weg des Führers nach Österreich auch gegangen, aber dann hätte ich mir eine Frist von 10 Jahren gesetzt, um das neue Großdeutschland und eine totale Rüstung auszubauen“, schreibt er später in seinem Tagebuch.
- Auch Hitlers Annahme, Großbritannien und damit auch Frankreich würden bei kriegerischen Aktionen gegen Österreich und die Tschechoslowakei nicht eingreifen, stoßen bei Blomberg, Heereschef von Fritsch und Außenminister von Neurath auf große Vorbehalte.
Die Diskussion habe „zeitweilig sehr scharfe Formen“ angenommen, vermerkt Hoßbach in seinem Protokoll.
Wenige Wochen später, im Februar 1938, sind Blomberg, Fritsch und Neurath Geschichte.
Hitler macht sich im Zuge der Blomberg-Fritsch-Krise selbst zum Oberbefehlshaber der Wehrmacht und ernennt seinen alten Wegbereiter aus Weimarer Zeiten, Joachim von Ribbentrop (wegen seiner Arroganz und Dummheit in Diplomaten-Kreisen hinter vorgehaltener Hand auch als “Ribbensnob” bezeichnet), zum Nachfolger Konstantin von Neuraths im Außenministerium.
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Weiterführende Beiträge:
Alltag im “Dritten Reich”: Während die Deutschen im „Dritten Reich“ finanziell gerade so über die Runden kommen, viel Geld für die verschiedenen NS-Organisationen spenden (müssen) und mühsam auf kleine Annehmlichkeiten wie ein eigenes Rundfunkgerät sparen, gibt es einen Mann, der im NS-Staat immer reicher wird. Es ist der „Führer“ selbst – Adolf Hitler.
Hitlers Millionen: Wie sich der „Führer“ an Deutschland bereicherte
Unity Mitford: Nachdem es der englischen Lady endlich gelungen ist, den “Führer”endlich kennenzulernen, gehört sie bald zu seinem Hofstaat. Sie begleitet ihn so oft, dass ihr Name von “Mitford” zu “Mitfahrt” verballhornt wird. Offiziell geht es ihr nur um “die Sache”, doch es gibt viel, was auf Liebe hinweist. Aber wie hat sie Hitler beeinflusst? Ein Flirt mit Folgen?
Unity Mitford: Hitlers It-Girl
Die britische Appeasement-Politik: Dass Großbritannien viele Jahre lang die Augen zudrückt, wegsieht und hofft, den „Führer“ irgendwie beschwichtigen zu können, indem man ihm gibt, was er verlangt, beruht keineswegs auf einer naiven Fehleinschätzung der wahren Absichten Hitlers. Appeasement gegenüber den immer maßloser werdenden Forderungen des „Führers“ hat vor allem ein Ziel: Einen neuen Krieg verhindern, koste es, was es wolle.
Appeasement: Hitler und die Briten
Im Jahr 1936 trifft die Welt drei Mal aufeinander: Bei der Besetzung des Rheinlands durch deutsche Truppen, der Olympiade in Berlin und auf den Schlachtfeldern Spaniens. Das Jahr, das mit der Hoffnung beginnt, Hitler endlich zu stoppen, endet ein Jahr später in einem Rausch aus Blut und Terror.
1936: Das Jahr des Scheiterns
Bildnachweise:
Bundesarchiv Bild 183‑1990-0309–506, Eröffnung des Deutsch-Polnischen Instituts” Licensed under CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons / Eröffnung des Deutsch-Polnischen Instituts Scherl: Festkonzert anlässlich der Eröffnung des Deutsch-Polnischen Instituts an der Lessing-Hochschule im Marmorsaal des Zoos
Appell des Reichsarbeitsdienstes, Reichsparteitag 1937, Von Bundesarchiv, Bild 183-C12701 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5361526
Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein. Nürnberg, Reichsparteitag, RAD-Appell [Scherl] Reichsparteitag 1937. Der grosse Appell des Reichsarbeitsdienstes auf dem Zeppelinfeld. Übersicht während der Rede des Führeres. 11651–37 [Nürnberg.- Reichsparteitag der NSdAP, “Reichsparteitag der Arbeit”, Appell von RAD-Männern auf dem Zeppelin-Feld vor der Zeppelinhaupttribüne während einer Rede von Adolf Hitler, 6.–13. September 1937]
Mussolini und Hitler in Berlin (Hungarian name of the book (Felvidékünk — Honvédségünk / Trianontól-Kassáig), publishers (Vitézi rend Zrinyi csoportjuának kiadása, Budapest, 1939), September 1937, Ladislav Luppa, Eigenes Werk, gemeinfrei
This terrified baby was almost the only human being left alive in Shanghai’s South Station after brutal Japanese bombing. China, August 28, 1937., 1942 – 1945
By 王小亭 (Wang Xiaoting) for Shanghai Journal / Office for Emergency Management. Office of War Information. Overseas Operations Branch. New York Office. News and Features Bureau. (12/17/1942 — 09/15/1945) ( Most Recent) — https://arcweb.archives.gov/arc/action/ExternalIdSearch?id=535557 — The digital source image is only in the GIF format. See the "Digital Copies" tab., Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2345691
Deutschland 1937 Volksgasmaske Herbst 1937 Generationengespräch