Warte nur, bis Vati kommt …!
Die Wirtschaftswunderjahre gelten bis heute als glückliche Zeit. Mit Polka-Dots, Petticoat-Kleidern, Nierentischen und viel Pastell sind sie auch optisch eine Zäsur zu den tristen Kriegsjahren.
Doch der schöne Schein trügt. Eine Kindheit in den 1950er und 1960er Jahren ist oft alles andere als glücklich.
Teppichklopfer und Kochlöffel
Prügel gabs oft, wenn Vati nach Hause kam.
Mutti hatte dann vermutlich nicht nur ein paar Gläschen Frauengold intus, sondern auch eine lange Liste an Verfehlungen, die sie Vati petzte, damit der zum Schlagwerkzeug greifen konnte. Viele Kinder, die in den 1950er und 1960er Jahren aufwuchsen, mussten Abend für Abend ein häusliches Strafgericht über sich ergehen lassen.
In den 50er und 60er Jahren durften Eltern – und Lehrer – mit Kindern im Prinzip machen, was sie wollten. Zum Beispiel grün und blau schlagen. Das war normal, so wurde man eben erzogen.
Die Schicht aus schönem Schein und Wirtschaftswunder über dem Kriegstrauma war trügerisch und nicht besonders dick. Die NS-Ideologie und Johanna Haarer war noch lange nicht aus den Köpfen. Dazu kommen die traumatischen Kriegserlebnisse, über die zwar niemand sprechen will, die aber trotzdem da sind.
Frauengold war ein ziemlich alkohollastiges Getränk (16,5 Volumenprozent!), das der deutschen Hausfrau in den 1950er Jahren empfohlen wurde, um mehr Schwung bei der Hausarbeit zu haben und mehr Geduld mit ihrer Familie. Der Vorteil von Frauengold war, dass es nicht als Schnaps galt, sondern als „Tonikum“ für die Nerven.
Väter und Mütter lebten ihr Trauma oft mit Teppichklopfern, Kleiderbügeln und Kochlöffeln an ihren Kindern aus. Sie wollten den Nachwuchs „in den Griff“ bekommen, dabei haben sie sich selbst nicht im Griff.
Kinder hatten „artig“ zu sein und bereits der geringste Verstoß war ein willkommener Anlass für Prügel – weniger, um das Kind zu „erziehen“, sondern mehr, um die eigene innere Wut, eine Folge der unverarbeiteten Kriegserfahrungen, loszuwerden.
- Für viele Kinder dieser Zeit gab es oft wenig Zuwendung und Liebe und stattdessen Strenge und Schläge. Viele Mütter waren mit dem Anspruch hoffnungslos überfordert, eine perfekte Nachkriegs-Hausfrau zu sein und die verstörten Männer an ihrer Seite, die nicht selten auch bei ihnen zuschlugen, zu ertragen, oder die fehlenden Väter zu ersetzen.
Denn auch sie hatten Traumatisches erlebt, über das nicht gesprochen werden durfte. Über Ängste, seelisches Leid und innere Erschöpfung redete man nicht, schließlich war man ja nicht verrückt.
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- Die Väter, die von der Front und aus den Kriegsgefangenenlagern zurückgekehrt waren, hatten nach heutigem Maßstab vermutlich fast alle eine „Posttraumatische Belastungsstörung“.
Den Begriff gab es damals noch nicht, das Wissen, wie man damit umgehen sollte, erst recht nicht. Zeit zum Nachdenken über eigene Gefühle wäre sowieso nicht gewesen, schließlich galt für alle, dass sie reibungslos zu funktionieren hatten.
Die Familie ernähren und sich etwas aufbauen, das war der Anspruch. Eigentlich wollten sie doch nur eins: Ruhe, Ordnung, Wohlstand, Sicherheit – und vergessen.
Und so schwieg und prügelte man – nicht in allen, aber in vielen – Familien der Wirtschaftswunderjahre.
Viele Väter entluden ihre innere Anspannung mit cholerischen Anfällen und „strenger Erziehung“, andere verfielen still in Schweigen und Depression mit gelegentlichen jähzornigen Ausbrüchen. Und alle fanden das völlig normal.
Die heile Kino-Welt im Wirtschaftswunder
Das Kino erfindet zum Ausgleich nette Väter und gemütliche Männertypen, verkörpert von Schauspielern wie Heinz Erhardt, Gustav Knuth, Theo Lingen oder den ewig nuschelnden Hans Moser.
Die konnte man liebhaben. Sie ersetzten die fehlende Wärme und Vaterliebe, die es für die meisten in dieser Zeit nicht gab. Über die durfte man sogar lachen, wenn man zuhause nichts zu lachen hatte.
Im Kino gab es heile Welt und unbeschwerte Unterhaltung und man konnte vom kleinen oder ganz großen Liebes- oder Familien-Glück träumen.
Zum Beispiel in den Filmen der „Sissi“-Trilogie, dessen erster Teil Ende 1955 in die Kinos kommt.
Die Darstellerin der Mädchenkaiserin „Sissi“, die blutjunge Romy Schneider, verkörpert alles, wonach sich die Menschen in dieser Zeit sehnen: Unschuld, Unbekümmertheit und die Hoffnung auf einen glücklichen Neuanfang.
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Auf die Frage, warum keine Schauspielerin das Herz der Deutschen so berührt wie ihre Tochter, antwortete Romys Mutter Magda Schneider, die in den Filmen Herzogin Ludovika, Sissis „patente“ Mutter, spielt: „Warum springen die Menschen so auf Romy an? Weil sie spüren, dass hier endlich mal ein Geschöpf ist, das mit dem Dreck der Welt nicht in Berührung gekommen ist.“
Dreck der Welt
Der Dreck fliegt Romy Schneider in dem Moment um die Ohren, als sie beschließt auszusteigen, und auch nicht länger das Geschöpf ihrer Mutter sein will.
Bei den Dreharbeiten zu Christine im Jahr 1958 verliebt sie sich in ihren jungen französischen Schauspielkollegen Alain Delon, packt die Koffer und zieht zu ihm nach Paris, wo sie mit ihm – auch das noch! – in wilder Ehe zusammenlebt. Der süße, unschuldige Vorzeige-Backfisch aller Deutschen ist ausgebrochen und hat auch noch eine Beziehung zu einem Franzosen!
Das erzürnt nicht nur Mutter Magda, die den 4. „Sissi“-Film bereits in Planung hat, um ihrer eigene Schauspielerinnen-Karriere neuen Auftrieb zu geben, sondern bringt auch die Volksseele zum Kochen: Von „dumme Liese“ über „Vaterlandsverräterin“ bis zu „Franzosenflittchen“ ist in den Zeitungen und bunten Blättern der Republik jede Form von sprachlicher Eskalation zu finden.
Wenn man gekonnt hätte, hätte es vermutlich auch noch was hinter die Ohren gegeben.
Wer diese empörten Schimpftiraden auf die 20jährige Romy Schneider heute liest, bekommt eine Ahnung davon, wie hinter verschlossenen Türen mit heranwachsenden Töchtern gesprochen wurde, die sich nicht dem Willen ihrer Eltern beugen wollten.
Die Deutschen sind kollektiv beleidigt und schmollen.
1963 zerbricht Romys Beziehung mit Delon, von dessen Affäre mit einer Schauspielkollegin sie aus der Zeitung erfährt.
- Die bunten Blätter in Deutschland ergießen sich in Spott und Häme, Romy Schneider versucht sich das Leben zu nehmen, weil sie glaubt, ohne diese Liebe nicht mehr leben zu können.
Danach stürzt sie sich in die Arbeit, dreht einen internationalen Kassenschlager nach dem anderen und geht dabei oft bis an ihre physische und psychische Belastungsgrenze oder darüber hinaus.
In Frankreich wird sie dafür verehrt, in Deutschland verachtet.
Man schmollt. Der Sissi-Schock sitzt tief. Dass sie, die nie eine Ausbildung zur Schauspielerin hatte, eine internationale Karriere hinlegt, die ihresgleichen sucht und sie zum Mythos werden lässt, nimmt man daheim kaum zur Kenntnis.
„Wir sind die beiden meistbeschimpften Frauen Deutschlands“, sagte sie 1976 in einem Gespräch zu Alice Schwarzer.
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Romy Schneider, Jahrgang 1938, Kriegskind
Am Ende verliert sie. Sie hat keine Reserven mehr.
Zunächst stellt sie fest, dass sie, eine der am besten bezahlten und fleißigsten Schauspielerinnen der Welt, auf einen Schuldenberg sitzt, weil ihr Manager Hans Herbert Blatzheim, der zweite Mann ihrer Mutter Magda, ihre Gagen bis zu seinem Tod nicht verwaltet, sondern verjubelt hat.
Dazu kommt die Scheidungs-Abfindung in Millionenhöhe für ihren ersten Ehemann Harry Meyen, die viel zu großzügig bemessen war, und das Luxusleben ihres zweiten (Noch-) Ehemanns Daniel Biasini, das er auf ihre Kosten führt.
Als sie versucht, ihr Leben auf die Reihe zu bringen, merkt sie, dass sie in vielerlei Hinsicht eine „Sissi“ geblieben ist und viel zu lange viel zu vertrauensselig und treuherzig war.
- Dann stirbt im Juli 1981 ihr vierzehnjähriger Sohn bei einem grauenhaften Unfall: Beim Versuch, über den Zaun auf das Grundstück seiner Stief-Großeltern zu klettern, rutscht er ab und wird durch die Metallspitzen des Zauns aufgespießt.
Für Romy Schneider bricht eine Welt zusammen.
Trotzdem erscheint sie im Oktober 1981 pünktlich zu den Dreharbeiten für ihren nächsten Film Die Spaziergängerin von Sans-Souci, bei dem sie auch noch mit einem Jungen im Alter ihres eben verstorbenen Sohnes vor der Kamera steht.
Stehenbleiben ist nicht möglich
Auf die Frage, wie sie diese Situation aushalte, antwortet sie: „Man kann einen Augenblick lang nachdenken, aber dann muss man weitermachen. Stehenbleiben ist für mich nicht möglich. Man stürzt sich in die Arbeit, weil man es tun muss – und es hilft auch ein wenig zu vergessen.“
Es wird ihr letzter Film.
Bereits vor dem Unfalltod ihres Sohnes hatte sie Schwierigkeiten, den Tag ohne Aufputschmittel am Morgen und Alkohol und Beruhigungsmittel am Abend zu überstehen, obwohl ihre Ärzte sie dringend vor den Folgen dieses Alkohol-Tabletten-Cocktails warnen, denn ihre Gesundheit ist bereits angeschlagen.
Im Mai 1982 findet man sie tot an ihrem Schreibtisch. Sie wurde 43 Jahre alt, als Todesursache wird Herzversagen angegeben.
Sie hat ihr Leben lang versucht, alles richtig und „es“ allen recht zu machen, was typisch für die „gut erzogenen“ Kinder jener Zeit ist.
- Sie war höflich, fleißig, großzügig und diszipliniert – aber die, deren Meinung ihr offenbar am wichtigsten war, konnte sie nicht überzeugen. Sie hat sich verzweifelt bemüht und doch nie das Glück, die Versöhnung und die Anerkennung in ihrem Leben gefunden, die sie so rastlos gesucht und so dringend gebraucht hat.
Ein tragisches Einzelschicksal – oder ein unausweichliches für die Kinder dieser Generation? Vielleicht doch nur eine „Dramaqueen“?
Schauspielkollegin Hildegard Knef über ihre Kollegin: „Mehr und mehr entblättert sich ein Bündel brachliegender Nerven, unkontrollierbarer Emotionen. Selbstironie scheint furchteinflößend und weitab von ihrem Sprachschatz, Denken, Fühlen. Sie erinnert an die Monroe. Widerborstiger, angriffsbereiter als jene, doch gleichermaßen verwundbar-wankelmütig.“
Nachkriegswehen
Die Kinder der Kriegs- und Nachkriegsgeneration werden schnell flügge.
Sie alle suchen hastig das Weite und hoffen auf Nestwärme, Berührung und Liebe außerhalb ihres Elternhauses. Das Phänomen der „Nesthocker“ kennt man in den Wirtschaftswunderjahren nicht.
Je nach Temperament werden die einen rebellisch, suchen sich mit Elvis Presley, Marlon Brandon, James Dean oder dem „deutschen James Dean“, Horst Buchholz, neue Idole und versetzen als „Halbstarke“ die Generation ihrer Eltern in Angst und Schrecken.
- Der „Sittenverfall“ wird von Eltern, Lehrern und Politikern heftig beklagt. 1961 (in der DDR 1965) kommt auch noch die Antibaby-Pille auf den Markt und tut ihr Übriges, um die Wirtschaftswunderwelt zu erschüttern.
An den Universitäten protestieren Studentinnen und Studenten gegen den „Muff unter den Talaren“, den Vietnam-Krieg und die autoritäre und patriarchalische Ordnung ihrer Kindheit.
Andere protestieren nicht, sondern stürzen sich so schnell wie möglich in Ehe und Familie, bekommen früh Kinder und versuchen, das nachzuholen, was in ihrem Leben bislang gefehlt hat. Liebe.
Einigen wenigen gelingt es, sich mit der geheimnisvollen Kraft der „Resilienz“, die genau in dieser Zeit intensiv erforscht wird, vom Trauma ihrer Kindheit zu befreien.
Vielleicht schaffen sie es, weil es in ihrem Kinderleben zumindest einen Menschen gab, der sie bedingungslos liebhatte und ihnen Halt gab.
Das Glück bleibt für viele wie bei Romy Schneider spröde.
Die Kinder der Kriegs- und Nachkriegsgeneration spüren ihre innere Zerrissenheit, wissen aber nicht, dass man darüber nachdenken und reden darf.
- „Das Gebot des Schweigens“, wie es die Psychoanalytikerin Alice Miller später nennen wird, das misshandelten Kindern von ihren Misshandlern auferlegt wird, funktioniert reibungslos.
Schließlich wurde diesen Kindern ein Leben lang eingetrichtert, dass sie „selbst schuld“ wären, wenn sie Prügel bezogen oder beschimpft wurden, weil sie nicht „artig“ genug waren. Schimpfe, Prügel und Strafen wären „nur“ zu ihrem besten.
Warte nur bis Vati kommt! Das Erbe der geprügelten Generation
Die Leitsprüche der Wirtschaftswunderjahre wie „Müßiggang ist aller Laster Anfang“, „ein Indianer kennt keinen Schmerz“, „solange du deine Füße unter meinen Tisch streckst“ oder „warte nur, bis Vati nach Hause kommt …“, haben sich tief ins Gedächtnis und in die Seelen eingegraben. Sie verschwinden nicht freiwillig oder einfach so im Lauf der Zeit.
Viele Kriegskinder, aber auch deren Kinder, die Kriegsenkel, leiden bis heute an unerklärlichen Ängsten, sind übervorsichtig und werden nervös, sobald etwas auch nur leicht aus ihrer Kontrolle gerät oder unvorhersehbar wird.
“Jedes Kind fürchtet, die Bindung zu seinen Eltern zu verlieren, weil es auf sich gestellt nicht überleben könnte.
So tun sie alles, was sie können, um den Ansprüchen ihrer Umwelt gerecht zu werden. Dieses Denken war in ihrer Kindheit schlüssig, schließlich waren sie damals abhängig von ihren Bezugspersonen.
Aber als Erwachsene hindert es sie daran, für ihr eigenes Wohlergehen zu sorgen. Sie ketten ihre Zufriedenheit an Menschen, die ihre Hilfsangebote nicht wert schätzen können, sie häufig gar als Angriff auf ihren seelischen Schutzschild verstehen — und sich daraufhin noch tiefer in sich zurückziehen …“
Aus: Matthias Lohre, Das Erbe der Kriegsenkel: Was das Schweigen der Eltern mit uns macht*
Und weil es verpönt war, an seelischen Schmerzen zu leiden, macht sich das Martyrium der geprügelten Generation oft in Form von körperlichen Symptomen bemerkbar.
Aber auch wer unter Perfektionismus leidet, einem Harmoniebedürfnis bis an die Grenze zur Selbstaufopferung, unerklärlichen Ängsten, übermäßiger Angst vor Kontrollverlust, Rast- und Ruhelosigkeit oder Schwierigkeiten, sich zu entspannen, trägt möglicherweise ein Erbe in sich, dass seinen Ursprung in den Erziehungsmethoden aus längst vergangenen Zeiten hat …
„Ich muss gehorchen“,
„Ich habe es nicht (anders) verdient“,
„Ich bin nicht gut genug“,
„Ich muss alles alleine schaffen“ oder
„Ich darf nicht fühlen“.
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Lesen Sie im nächsten Beitrag: Die erzogenen Kinder von damals sind längst erwachsen geworden. Viele wundern sich über das „Tamtam“, das man heute um Kindheit und Erziehung macht. Sie halten es für maßlos übertrieben. „Es hat uns ja auch nicht geschadet …“, sagen sie – und fühlen sich selbst oft gestresst, unsicher, schuldig oder ruhelos.
Die Nachwehen der Erziehung früher – und wie man mit ihnen umgehen kann.
Erziehung früher: Zwischen Liebe, Loyalität, Wut und Frust
Film- und Buchempfehlungen:
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Zwischen Drill und Misshandlung: Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind
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Die Erlaubnis zu hassen
Wie Resilienz unser Leben verändern kann und warum es besser ist, sich auf seine Stärken zu konzentrieren, anstatt Schwächen zu reparieren.
Die Energie folgt der Aufmerksamkeit
Wirtschaftswunder: Nach dem Kriegsende 1945 ist Deutschland zwar ein armes und hungriges Land, ein unterentwickeltes war es nie.
Es sind aber nicht nur Fleiß und Ludwig Erhard, die das deutsche “Wirtschaftswunder” ermöglichen, sondern vor allem der kalte Krieg, die Tatsache, dass Deutschlands Kriegsgegner dieses Mal dazugelernt haben, — und nicht zuletzt 12 Millionen Flüchtlinge
1948: Das Märchen vom Wirtschaftswunder
Was ist Mutterliebe?: Mutterliebe sorgt dafür, dass Frauen über sich hinauswachsen und Dinge tun, die sie normalerweise für andere Menschen nicht tun würden. Fehlt Mutterliebe, muss ein Kind also „mutterseelenallein“ aufwachsen, wird es diesen Mangel ein Leben lang spüren. Aber was ist Mutterliebe, und wie lässt sie sich erklären?
Was heißt schon Mutterliebe
Das Generationengespräch:
Psychologie: Familienbande und Zwischenmenschliches, das Miteinander der Generationen, Stimmungen, Gefühle und die Psychologie, die dahinter steckt und unser Glück beeinflusst.
Psychologie I Generationengespräch
Kindheit und Erziehung: Die Kindheit ist die prägendste Zeit in unserem Leben. Über Mütter und Väter, Geschwisterliebe, transgenerationale Vererbung und Kindheitsmuster, die uns unser gesamtes Leben begleiten.
Kindheit und Erziehung I Generationengespräch
Biografie: Werde, wer du bist! (Goethe): Wie man seine Lebensgeschichte nutzen kann, um zu sich selbst zu finden.
Biografie I Generationengespräch
Bildnachweise:
Schulklasse 1945, Privatarchiv
Frauengold Werbung, Archiv Buschmann Hintsches
German-born French actress Romy Schneider (Rosemarie Magdalena Albach-Retty) smiling as Elisabeth of Austria in the film Sissi. Datum 1955, Autor Unknown (Mondadori Publisher), published in magazine Bolero Teletutto. Gemeinfrei
Die Schauspielerin Romy Schneider bei der Ankunft am Flughafen Madrid-Barajas. 5. September 1965. Von Iberia Airlines — Romy Scheider.jpg, Flickr: Romy Scheider, 2004-03-10 10:02:32, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17483589
Ich wurde in meiner Kindheit auch oft versohlt! Meine Mutter zog mir die Hosen runter und ich kriegte mit dem Kochlöffel oder Teppichklopfer so den Hintern voll, dass ich tagelang kaum sitzen konnte!
Das vergisst man nie! So wie ich gekriegt habe.…