Das 18. Jahrhundert entdeckt die große Liebe.
Denn die französische Revolution 1789 fegt nicht nur das Ancien Régime aus seinen Palästen, sondern schafft mit dem neuen Scheidungsrecht auch arrangierte Ehen und Mätressenwirtschaft ab.
Den Rest erledigt Napoleon Bonaparte, der das neue Gefühl nach ganz Europa bringt.
1789: Revolution!
Im Juli 1789 reicht es den einfachen Leuten in Frankreich.
Jahrhundertelang hatten sie, der sogenannte Dritte Stand, das luxuriöse Leben von Adel und Klerus in Versailles, ein riesiges Heer und etliche Kriege finanziert.
Es ist schließlich der harte Winter 1788/89, der Brotpreise, Arbeitslosigkeit und das Ausmaß ihrer Armut unerträglich macht und das Fass endgültig zum Überlaufen bringt.
- Am 14. Juli 1789 stürmt eine wütende Menschenmenge die Bastille, das alte Staatsgefängnis und Symbol absolutistischer Macht.
Man befreit sieben Gefangene und markiert damit den Anfang vom Ende der alten Ordnung. Nach dem 14. Juli gerät überall im Land das revolutionäre Feuer außer Kontrolle.
Nichts bleibt mehr wie zuvor.
“Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” erobern erst Frankreich und später Europa — und nehmen die neuen Ideen von Liebe und Mutterliebe gleich mit.
Das Vorspiel der Revolution
Im Revolutionsjahr 1789 ist der Erfinder des Absolutismus, der “Sonnenkönig” Ludwig der 14. (französisch: Louis XIV oder Louis le Grand, 1638 — 1715) seit 74 Jahren tot. Dank seiner absolutistischen Herrschaft (und der seiner Nachfolger) ist Frankreich bankrott und der größte Teil der Franzosen bettelarm.
Die Profiteure des Massenelends — Adel und Geistlichkeit, der sogenannte 1. und 2. Stand im Staat — bemerken lange Zeit nicht, dass ihre Party dem Ende zugeht. Sie heben angesichts des Hungers und der unvergleichlichen Verwahrlosung ihrer Untertanen die Hände und feiern unverdrossen weiter.
- Etwas anderes kannten sie seit über einem Jahrhundert nicht, denn Ludwig hatte sie zu politischen Schoßhündchen degradiert — ein Kernstück des vom Sonnenkönig erdachten absolutistischen Systems war die Konzentration der Macht nur beim König. Herzöge, Barone und Grafen hatten im Staat kaum noch etwas zu sagen.
Das war der Sinn und Zweck von Ludwigs Idee vom absolutistischen Staat.
Statt den Adel weit verstreut in seinen Schlössern leben zu lassen, wo er kaum zu kontrollieren war und möglicherweise eigenen Machtphantasien nachging, scharte er — und alle seine absolutistischen Nachfolger (die in schöner Tradition alle Ludwig hießen) — die Vornehmen des Landes als Höflinge um sich.
Schäferspiele und nutzlose Ämter
Frankreichs absolutistische Könige hielten sich ihren Adel bei Hofe wie Queen Elizabeth ihre Corgis und beschäftigte sie mit nutzlosen Schäfer- und Ränkespielen und sinnlosen Ämtern.
Statt Politik wird die Frage, wer dem König beim ‘Lever’ (dem königlichen Erwachen aus der Nachtruhe) durch das Reichen eines feuchten Tüchleins zur Gesichtsreinigung behilflich sein durfte, zum Politikum und konnte zu Aufruhr und wochenlangem Streit unter den Privilegierten des Landes führen.
Genau so hatte es der ‘Sonnenkönig’ geplant.
Die einflussreichen Herren und Damen zofften sich untereinander über Nichtigkeiten — und der König konnte in Ruhe durchregieren.
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Es ist ein sehr erfolgreiches Regierungsmodell, das zunächst wie beabsichtigt für Ruhe und Ordnung sorgt und deshalb in Europa von fast allen Königshäusern begeistert aufgenommen und kopiert wurde.
Den Preis für Pomp, Glanz und Gloria der Herrschenden zahlte das dumme Volk, der sogenannte Dritte Stand. Zunehmend murrend, denn es war ein sehr hoher Preis, den sie zu zahlen hatten.
Absolutismus: Manufakturen und Kriege
Vielleicht hätten Bauern und Handwerker die abolutistische Höflingswirtschaft noch hingenommen,wenn die katastrophale Ungerechtigkeit nicht zusätzlich durch die absolutistischs Wirtschaftsordnung, den Merkantilismus, verschärft worden wäre.
Er ist ein weiteres Kernelement des Absolutismus, mit dem man das elegante Nichtstun des Adels sowie unzählige Kriege finanzierte
Für einen ausgeglichenen Haushalt greift der Staat massiv in die Wirtschaftsentwicklung ein.
- Die Erzeugerpreise werden per Gesetz künstlich niedrig gehalten und über Jahrzehnte gab es nicht die kleinste Lohnsteigerung für die Handwerker und Arbeiter in den neu geschaffenen Manufakturen.
Merkantilismus und die Revolte der Armen
Damit die arbeitende Bevölkerung mit ihren niedrigen Löhnen wenigstens überleben und Nahrung kaufen konnte, mussten auch die Preise von Agrarprodukten gedeckelt werden Teilweise liegen die Preise, die Bauern für Korn und Milch verlangen dürfen, unter ihren Produktionskosten.
Die Folgen: Löhne und Preise blieben zwar stabil niedrig, aber die Schere zwischen Arm und Reich ging immer weiter auf. Der größte Teil der absolutistischen Gesellschaft wurde immer ärmer und konnte sich das Leben kaum noch leisten.
Das störte niemanden — zumindest niemanden der besseren Gesellschaft.
- Natürlich waren die immer mal wieder aufflammenden Revolten den Herrschenden lästig, aber bis auf ein paar kurzfristige Zugeständnisse änderte sich am System “Wir oben, ihr unten” nichts.
Weder am absolutistischen Regierungsmodell noch an der drückenden und juckenden Puderperücken-Mode jener Zeit:
” … Die künstlichen Haargebilde waren sehr pflegeintensiv.
Einmal in der Woche musste man sie wegschicken, damit ihre Locken auf erhitzten Wicklern oder sogar im Ofen neu gelegt wurden.
Von 1700 an, aus Gründen, die weder etwas mit gesundem Menschenverstand noch mit Praktikabilität zu tun gehabt haben können, wurde es Mode, jeden Tag einen Schwall weißes Pulver auf seinen Kopf niederrieseln zu lassen.
Das gebräuchlichste Mittel war Haushaltsmehl. Als die Weizenernten in Frankreich in den 1770er Jahren mehrfach schlecht ausfielen und die hungernden Menschen begriffen, dass das ohnehin schon knappe Mehl nicht zu Brot verbacken wurde, sondern auf den privilegierten Häuptern der Aristokratie landete, revoltierten sie.”
Bill Bryson, Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge*
Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Gebäck essen …
Zur allgemeinen Not, zusammengesetzt aus fahrlässigen Regierens, künstlichem Preis- und Lohndumping und schlechten Ernten, kamen die Kriege — zuletzt Frankreichs Beteiligung am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen die Engländer.
Die nach Unabhängigkeit strebenden Amerikaner wurden von Frankreich mit viel Geld und Soldaten unterstützt.
- Nicht, weil Ludwig XVI. (Ludwig der 16.), der Urenkel des Sonnenkönigs, sein Herz für nach Freiheit strebende Aufständische entdeckt hätte, sondern weil er dem Erzfeind Großbritannien eins auswischen wollte. (Die Freiheitsstatue in New York ist ein Geschenk des absolutistischen Frankreichs — und nicht — wie häufig angenommen wird — des revolutionären!) Denn Großbritannien wird in Amerika auch mit Hilfe Frankreichs besiegt.
Dieser Sieg ist für Frankreich sehr kostspielig, was eine lang anhaltende Überschuldung zur Folge hat.
In Verbindung mit Missernten, kalten Wintern, schlechten Ernten, Hungersnöten und drückend hohen Steuern eine sozialpolitische Katastrophe.
Nur bei Hofe scheint man von alldem nichts mitzubekommen.
„Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Gebäck essen“, wird jene unglückliche Königin Marie Antoinette zitiert, Gattin des unglücklichen Ludwig den 16.
Beide werden während der Revolution ihren Kopf verlieren.
Arrangierte Ehen und Mätressenwirtschaft
Nach dem Sturm auf die Bastille im Sommer 1789 — die Revolution war noch jung und optimistisch — kehrte der Marquis de La Fayette als Kriegsheld aus dem gerade gewonnenen amerikanischen Unabhängigkeitskrieg nach Frankreich zurück.
Kaum in Paris angekommen, eilt er in die neu zusammengesetzte revolutionären französischen Nationalversammlung und verliest dort die Erklärung der Menschenrechte, deren Ähnlichkeit mit der modernen amerikanischen Verfassung kein Zufall ist.
Das Erstaunliche an dieser Erklärung: sie enthält auch einen Hauch von Frauenrechten.
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- Und da es in der Frühphase der Revolution nicht nur einflussreiche männliche Revolutionäre gibt, sondern auch enthusiastische und lautstarke Revolutionärinnen, führt die Nationalversammlung kurze Zeit später für alle Bürgerinnen und Bürger erstmals das Recht auf Scheidung ein.
Das neue Scheidungsrecht war zwar von vielen gefordert worden — vor allem von Bürgerinnen -, aber als es da ist, bringt es doch vieles durcheinander.
Schließlich war man seit Jahrhunderten an arrangierte Hochzeiten gewöhnt, lieblosen Versorgungsehen, Heiraten aus politischen, wirtschaftlichen oder dynastischen Gründen und an die Mätressenwirtschaft, letzteres zumindest in den besseren Kreisen.
Jetzt — um genau zu sein: seit 1792 — konnten Mann und Frau sich unter bestimmten Umständen scheiden lassen.
Eine Option, die viele pflichtgemäß verheiratete Ehepaare verwirrt und sowohl Ehefrauen als auch Ehemänner vor neue Herausforderungen stellt.
Das 19. Jahrhundert entdeckt die Liebe
Es ist eine Chance – aber eine gefährliche, schreibt 1794 Suzanne Necker, Schriftstellerin, bedeutende Salondame und Ehefrau des Bankiers und Politikers Jacques Necker in einer Denkschrift über das Scheidungsrecht.
Man laufe Gefahr, sich zu „verzetteln“ und finde nicht mehr „Zuflucht in einer zarten Seele“ beim Partner, schreibt sie weiter, was angesichts der großen Zahl unglücklicher arrangierter Ehen mit durchaus gewalttätigen Ehemännern ein bisschen nach freundlichem Wunschdenken klingt.
- “Bis dass der Tod Euch scheidet“ kann niemand mehr wörtlich nehmen, denn die Möglichkeit, eine unglückliche Ehe zu beenden, gibt es jetzt. Das rettet vermutlich einigen Männern das Leben, aber für viele Frauen geht ein als sicher geglaubter Hafen verloren.
Denn es ist die eine Sache, sich über den Stinkstiefel von Ehemann und seine Eskapaden zu beklagen, den man als Vierzehn- oder Fünfzehnjährige auf Geheiß der Eltern hatte heiraten müssen.
Es ist etwas anderes, wenn dieser Stinkstiefel plötzlich die Möglichkeit bekommt, sich scheiden zu lassen.
Beispielsweise um seine langjährige Geliebte heiraten zu können und seine unehelichen Nachkommen mit ihr zu legitimieren. Eine durchaus berechtigte Sorge, denn eine Geschiedene ist in jener Zeit ebenso wie eine Witwe ökonomisch viel schlechter gestellt als eine verheiratete Ehefrau.
- Sehr schnell folgt auf das neue Scheidungsrecht die Reaktion: Eine neue Basis für das Zusammenleben von Eheleuten wird geboren. Statt Versorgungsehen soll die große romantischen Liebe ab sofort der einzig wahre Grund für eine Eheschließung sein und zu Ehen führen, die ein Leben lang glücklich sein sollen und vor allem: halten.
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Schön kitschig, aber auch ein sehr sehenswerter Mantel-und-Degen-Spaß für verregnete Sonntagnachmittage. Durchaus mit historischem Interesse, denn die Handlung spielt zur Zeit der Fronde-Kämpfe und der prächtigen Kulisse der französischen Königszeit des 17. Jahrhunderts … 😉
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Die Geburtsstunde der Mutterliebe
Bereits 30 Jahre vor dem Sturm auf die Bastille, dem Scheidungsrecht und der Entdeckung der großen Liebe hatte der Philosoph Jean-Jacques Rousseau ein weiteres besorgniserregendes Konzept in die Welt gesetzt, das jetzt, während der Revolution, nach oben gespült wird.
Die Mutterliebe.
Eigentlich ist Rousseaus Erfindung der Mutterliebe ein Missverständnis, denn als er 1762 seinen Erziehungsroman „Emile oder über die Erziehung” veröffentlicht, geht es ihm nicht um Mütter und Kinder, sondern um die verhasste und überdrehte absolutistische Gesellschaft:
Gegen die feinen Herren und Damen in Pluderhosen, überladenen Spitzenhemden und turmhohen, mit Mehl besräubten Perücken, die ihre Tage mit Müßiggang, Schäferspielen und der detaillierten Beachtung der höfischen Ettikette verbringen.
Über sie macht er sich in seinem “Emile” lustig — und entwirft gleichzeitig die Utopie einer neuen, besseren Gesellschaft.
- Der Mensch, so Rousseaus These, ist von Natur aus gut. Nur Kultur und Erziehung, so seine Überzeugung, verdirbt alles.
Die Aufgabe einer neuen Gesellschaft müsse es sein, an den unschuldigen Anfang — die Kindheit - zurückzukehren.
Das ist in dieser Zeit gedanklicher Sprengstoff.
- Zunächst wird seine Theorie vom guten Menschen, der erst durch Erziehung ins Schlechte verkehrt wird, belächelt. Rousseaus Zeitgenosse Voltaire spöttelt beispielsweise, er habe nach der Lektüre des Romans Lust bekommen, auf allen vieren zu kriechen.
Doch 1789 passt Rousseaus Utopie perfekt ins neue Weltbild der Revolutionäre.
Posthum kommt seine Lehre vom freien, wilden und guten Urzustand des Menschen zu Ruhm und Ehre, und er selbst wird zu einer Art pädagogischer Superheld der Revolution.
Die Erfolgsgeschichte der Mutterliebe nimmt ihren Lauf.
Die Revolution frisst ihre Kinder
Doch zunächst gibt es andere Probleme: Die Revolution verzettelt sich. Sie wird misstrauisch gegen alles und jeden, denn die Monarchen Europas formieren sich zu einer breiten Allianz gegen das revolutionäre Frankreich und versuchen, die junge Republik von außen und mit Gewalt wieder abzuschaffen.
Das allgemeine Misstrauen sorgt dafür, dass Bürgerinnen und Bürger wegen Nichtigkeiten auf der Guillotine landen.
Oft reicht dafür schon ein Verdacht oder ein Gerücht.
- Wer seinen Ehepartner loswerden will, braucht das neue Scheidungsrecht nicht in Anspruch zu nehmen, denn man muss nur die Gattin oder den Gatten als konterrevolutionär anschwärzen und kann dann fast sicher sein, dass dank der Arbeit des Wohlfahrtsausschusses die Ehe ein für allemal auf der Guillotine beendet wird.
Das blutige und chaotische Drunter und Drüber der Revolution hat seinen Höhepunkt erreicht, als der “kleine Mann aus Korsika”, Napoleon Bonaparte (1769 – 1821), die Weltbühne betritt.
Zunächst ist er nur ein begnadeter Militärführer, wird bekannt und berühmt für seine militärischen Erfolge, macht Karriere und putscht sich 1799 als Führer des Revolutionsheeres an die Macht.
1804 erklärt er die Revolution für vollendet und krönt sich selbst zum Kaiser der Franzosen.
(Anmerkung: Mit einer Körpergröße von 1,68 m war Napoleon übrigens nicht klein für seine Zeit, sondern Durchschnitt. Das „klein“ ist vermutlich von seinem Kriegsgegner England zur Diffamierung und als Propagandamittel gestreut worden.)
Der Code Napoléon
Napoleon ist für Europa ein zweischneidiges Schwert. Zum einen ist er für lange, für Frankreich zunächst sehr erfolgreiche Kriege verantwortlich, in denen er mit seiner Armee bis Moskau marschiert (und wieder zurück).
Dabei überrennt er fast den gesamten Kontinent, verschuldet den Tod Hunderttausender, würfelt die alte Ordnung Europas durcheinander und hinterlässt schließlich, nach seinem Fall, einen riesigen politischen Scherbenhaufen.
- Aber Napoleon legt auch die Grundlagen unserer modernen Rechtssprechung.
Zusammen mit seinen Armeen erobert der „Code Napoleon“ (Code civil) Europa: Die Trennung von Kirche und Staat beispielsweise, Gewerbefreiheit, Zugang zu Posten in Ämtern durch Leistung und nicht durch Geburt sind Prinzipien seines Rechtswesens, die bis heute im Wesentlichen gelten.
Die napoleonischen Kriege schaffen in Spanien die Inquisition ab, organisieren in Köln eine Müllabfuhr (weil es so stank, dass es keiner mehr aushalten konnte) und sorgen für die Verbreitung einheitlicher Maßeinheiten wie Meter, Kilogramm und Liter, was für den Handel einen immensen Fortschritt bedeutete.
Kinderehen werden verboten, das heiratsfähige Alter auf 21 Jahre heraufgesetzt und das Scheidungsrecht der französischen Revolution wird in ganz Europa eingeführt. Ein Recht, von dem vor allem Frauen Gebrauch machen.
Nach Napoleon: Restauration und Lähmung
Nach seinem verlorenen Krieg und einem gescheiterten Selbstmordversuch dankt Napoleon am 6. April 1814 ab. Der Wiener Kongress tanzt unter der Leitung des österreichischen Kanzlers Clemens Wenceslaus Lothar Fürst von Metternich und beginnt mit den Aufräumarbeiten und der Rückabwicklung von 20 Jahren europäischer Geschichte.
Man leckt seine Wunden, sortiert sich neu und will nach all diesen Revolutions- und Kriegs-Jahren endlich wieder Ruhe und Ordnung in Europa.
Es ist das Zeitalter der Restauration, eine Epoche der Lähmung, in der jede Form gesellschaftlicher oder politischer Bewegung erstarrt zu sein scheint — oder durch übernervöse Monarchen erstarrt wird.
- Die Biedermeierzeit bricht an, eine Zeit, in der man seine Türen verschließt und sich im Schoß seiner kleinen bürgerlichen Familie hinter den heimischen Herd zurückzieht, um von der wechselhaften Welt da draußen so wenig wie möglich mitbekommen zu müssen.
Biedermeier und die Liebe
Es sieht so aus, als ob von der Pompadour und dem absolutistischen Hofstaat in Versailles mit seinen überspannten erotischen Verhältnissen, den Pluderhosen und überdimensionalen Reifröcken, den gepuderten Perücken und den ‘mouches’ (wörtlich: Fliegen; Bezeichnung für Schönheitspflästerchen) nichts übrig bleibt.
Auch Jean-Jacques Rousseau und seine Ideale, die Revolution und Napoleon scheinen endgültig in der Rumpelkammer der Geschichte gelandet zu sein.
Aber völlig gelingt die Abwicklung der vergangenen 20 Jahre Revolution und napoleonischer Kriege nicht.
- Denn in den Köpfen der Biedermeier-Mädchen, die keine schweren Puder-Perücken mehr auf dem Kopf haben, sondern ihre sorgfältig geringelten Löckchen unter züchtigen Hauben hervorblitzen lassen, und in den Gedanken der jungen Männer, die statt pludrigen Kniebundhosen elegante hautenge Pantalons tragen, haben sich französische Überbleibsel jener revolutionärer Zeit breitgemacht:
Die Mutterliebe und die romantische Liebe als neues Ideal und einzigen Grund, zu heiraten und eine Familie zu gründen.
Copyright: Agentur für Bildbiographien, www.bildbiographien.de, 2016 (überarbeitet 2024)
Lesen Sie im nächsten Beitrag: Der Prince of Wales George kann seine Finanzen nicht in Ordnung halten. Von seinem aufwändigen Lebensstil fast ruiniert, willigt er schließlich in einen Heiratshandel mit dem Parlament ein: Seine Schulden werden bezahlt, dafür heiratet er seine Cousine Caroline von Braunschweig. Der einzige Makel: Das Brautpaar kann sich nicht ausstehen.
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Scheidung: “Im Gesetz steht von Liebe kein Wort” — lesenswertes Interview mit der Scheidungsanwältin Helene Klaar, erschienen 2016 im Süddeutsche Zeitung Magazin
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/liebe-und-partnerschaft/im-gesetz-steht-von-liebe-kein-wort-82190
Bildnachweise:
Original: Bonaparte beim Überschreiten der Alpen am Großen Sankt Bernhard (Gemälde von Jacques-Louis David, 1800),Von Jacques-Louis David — The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. DVD-ROM, 2002. ISBN 3936122202. Distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH., Gemeinfrei
Die Freiheit führt das Volk, Eugène Delacroix, gemeinfrei
Ludwig XIV. im Krönungsornat (Porträt von Hyacinthe Rigaud, 1701) Von Unbekannt – wartburg.edu, Gemeinfrei
Porträt von Marie Antoinette mit einer Rose, 1778 gemalt von ihrer Lieblingskünstlerin Élisabeth Vigée-Lebrun (Öl auf Leinwand, Schloss von Versailles), Gemeinfrei
Original: Jean-Jacques Rousseau, Pastell von Maurice Quentin de La Tour, 1753, Gemeinfrei
Napoleon im Arbeitszimmer mit Hand in der Weste (Gemälde von Jacques-Louis David, 1812), Gemeinfrei
Der Sonntagsspaziergang, Carl Spitzweg, 1841, — The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. Distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH., Gemeinfrei