Das Ende der Republik: Was will eigentlich dieser Schleicher? Während Brüning als Hungerkanzler und Papen als Steigbügelhalter Hitlers in die Geschichte eingehen, ist Schleichers Rolle beim Ende der Weimarer Republik bis heute nicht klar.
Papen und Schleicher: Eine Feindschaft, über die die Weimarer Republik am Ende stürzte?
Papen und Schleicher
Selbst Franz von Papen war überrascht, als Hindenburg ihn im Juni 1932 plötzlich zum neuen Reichskanzler der gefährlich schlingernden Weimarer Republik ernennt.
Und selbst einem wie Papen muss klar gewesen sein, dass er dieses Amt nicht seinem begrenzten Talent als Politiker verdankt. Hat er auch nicht. Es ist sein alter Kriegskamerad Kurt von Schleicher, der ihm ins Kanzleramt verhilft.
Die Zahl echter Papen-Fans ist überschaubar, das weiß jeder in der Weimarer Republik.
Und auch Kurt von Schleicher hält nicht besonders viel von seinem Fränzchen, wie er ihn zu nennen pflegt:
„ … Auf die erstaunte Bemerkung, Papen sei doch kein Kopf, soll Schleicher erwidert haben: „Das soll er ja auch nicht sein. Aber er ist ein Hut.“
Aus: Rüdiger Barth, Hauke Friedrichs, Die Totengräber: Der letzte Winter der Weimarer Republik*
In den letzten Jahren der Weimarer Republik ist Kurt von Schleicher der starke Mann hinter den Kulissen.
Er ist nie gewählt worden und lange Zeit kennt ihn außerhalb des politischen Berlins kaum jemand.
Er war es, der Papens Vorgänger im Kanzleramt, Heinrich Brüning, bei Reichspräsident Hindenburg diskreditiert und dadurch zu Fall gebracht hat — um Papen als neuen Reichskanzler zu installieren? Warum?
- Während das historische Urteil über Franz von Papen eindeutig ist: eitel, Hitlers Steigbügelhalter, kurzsichtiger Reaktionär, politischer Dilettant, „ich dien‘ – egal wem“ (Alfred Polgar), scheiden sich an Kurt von Schleicher die Geister.
Was will dieser Schleicher mit seinem Kanzler-Roulette erreichen — er, „der begabteste Intrigant einer an begabten Intriganten nicht armen Zeit“?
Fränzchen als Spion des Kaisers
Franz Joseph Hermann Michael Maria von Papen, Erbsälzer zu Werl und Neuwerk, stammt aus einem alten westfälischen Adelsgeschlecht, das mit Salzgewinnung (deswegen „Erbsälzer“) zu Geld und Titel gekommen ist.
Er wird 1879 als drittes von fünf Kindern geboren, besucht ab seinem 11. Lebensjahr die Kadettenschule und dient einige Zeit lang als Page am Kaiserhof in Berlin.
Was bereits den jungen Papen ausmacht, ist ein gewisser Hang zur politischen Schusseligkeit.
1913, kurz vor Beginn des Weltkriegs, erhält er dank der guten Kontakte seines Vaters zu Wilhelm II. den Posten des Heeresattachés an der deutschen Botschaft in den USA, und beginnt dort, sich konspirativ zu betätigen.
Er will die Produktion kriegswichtiger Industriegüter in den USA unterlaufen, indem er über eine Scheinfirma sämtliche Bestände der Ausgangsmaterialien aufzukaufen versucht, in der Hoffnung, dass dadurch für Deutschlands Kriegsgegner in Europa nichts mehr für die Produktion von Waffen übrigbleibt.
Allerdings gelingt ihm die Konspiration als eine Art kaiserlicher 007 nur mäßig; er fliegt auf und wird 1916 des Landes verwiesen. Dank seines Diplomaten-Status‘ kann er das unbehelligt tun und erhält freies Geleit zurück ins Deutsche Kaiserreich.
- In der falschen Annahme, dass der Diplomaten-Status auch für sein Gepäck gelten würde, reist er mit hochbrisantem Material, denn Quittungen, Rechnungsbücher und andere Dokumente über seine Spionage-Tätigkeit will er nach Hause mitnehmen.
Ein fataler Irrtum, denn die Briten durchsuchen seine Koffer und finden die hochvertraulichen Unterlagen. Das sorgt dafür, dass zahlreiche Spione in den USA, die für ihn gearbeitet haben, auffliegen und verhaftet werden.
Zurück im Kaiserreich orientiert sich Papen neu und macht im Heer Karriere.
Und wichtige Bekanntschaften: Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, damals Weltkriegsheld und Chef der Obersten Heeresleitung, ist ein alter Bekannter aus Kaisers Zeiten, ebenso wie Kurt von Schleicher und Joachim Ribbentrop, die beim Papen-Hitler-Deal im Januar 1933 zwar unterschiedliche, im Ergebnis aber unselige Rollen spielen werden.
Brüning, Papen, Schleicher — die letzten Reichskanzler der Republik
In 14 Jahren hatte die Weimarer Republik 12 Reichskanzler.
Die letzten drei waren:
„Hungerkanzler“ Heinrich Brüning: 28. März 1930 bis 30. Mai 1932
Franz von Papen: 1. Juni 1932 bis 2. Dezember 1932
Kurt von Schleicher: 3. Dezember 1932 bis 28. Januar 1933
Franz von Papen und die große Politik
Aber zunächst geht 1918 der Weltkrieg für das Kaiserreich unrühmlich verloren und Franz von Papen scheidet im Frühjahr 1919 als hochdekorierter Oberstleutnant aus der Armee aus.
Dem 100.000-Mann Heer, das gemäß des Versailler Vertrags den Deutschen noch übrigbleibt, will er nicht dienen.
- Anders als viele andere seiner ehemaligen Kameraden, die nach ihrer Entlassung aus der Armee in den Nachkriegsjahren 1918/1919 weder beruflich noch existentiell weiterwissen, fällt er weich, denn zu seinem eigenem Vermögen kommt noch das seiner Ehefrau Martha von Boch-Galhau, einer millionenschweren Erbin der Villeroy & Boch Keramikdynastie, mit der er seit 1905 verheiratet ist.
Als guter westfälischer Katholik mit viel Freizeit schließt er sich der katholischen Zentrumspartei an, hat allerdings für Demokratie und Republik nicht viel übrig.
Trotz seiner Zugehörigkeit zu einer demokratischen Partei tritt er offen für die Wiederherstellung der Monarchie ein, weshalb es häufig Ärger mit der Parteispitze gibt, die im Reichstag mit der „atheistischen“ SPD kooperiert und manchmal auch koaliert.
1925 entgeht Papen nur knapp einem Parteiausschlussverfahren, denn bei der Präsidentschaftswahl unterstützt er nicht den Kandidaten seiner eigenen Partei, Wilhelm Marx, sondern seinen „alten Kameraden“ Generalfeldmarschall a.D. Paul von Hindenburg.
In letzter Minute wird der Parteiausschluss gestoppt, weil Papen kurz zuvor ein großes Aktienpaket der zentrumseigenen Parteizeitung Germania gekauft hat.
- Alles in allem mischt Papen wegen seines Standes, seiner „alten“ Bekanntschaften und seines Vermögens immer in der Politik der Weimarer Republik mit, politische Glanzleistungen gelingen ihm allerdings nie. Umso überraschender ist es, dass er im Frühsommer 1932 plötzlich als neuer deutscher Reichskanzler und Nachfolger seines Parteikollegen Heinrich Brüning im Gespräch ist.
Schlimmer noch: Reichskanzler wird.
Intrigant oder Retter der Republik? Der Bürogeneral Kurt von Schleicher
Für die einen ist er die dunkle Macht, die der Republik den endgültigen Todesstoß versetzt.
Für die anderen ein Pragmatiker, der im Fadenkreuz zwischen dem (alters-) starrsinnigen und allmächtigen Hindenburg, den antirepublikanischen Bedrohungen von rechts und links und einem Parlament, das sich selbst lahmgelegt, versucht, zu retten, was noch zu retten ist.
Auch Kurt Ferdinand Friedrich Hermann von Schleicher hat im 1. Weltkrieg beim Militär Karriere gemacht und dort wichtige Kontakte geknüpft – unter anderem zu Oskar von Hindenburg, dem Sohn von Paul von Hindenburg, der im weiteren Verlauf der Dauer-Staatskrise noch eine unrühmliche Rolle spielen wird.
Anders als Papen bleibt Schleicher nach 1918 in der Reichswehr und arbeitet dort an seiner Karriere.
Er gilt als fleißig, charmant und ist ein ausgezeichneter Netzwerker.
Mit Wilhelm Groener, seit 1928 Reichswehrminister, hat er zudem einen langjährigen Mentor, Freund und politischen Ziehvater (… den er dann allerdings ziemlich kalt abserviert, um selbst Reichswehrminister zu werden).
- Schleicher wird General, ohne jemals ein Truppenkommando geführt zu haben.
Das bringt ihm den hämischen Beinamen „Bürogeneral“ ein: Er ist der erste General in der Geschichte, der seinen Rang durch politische (Büro-)Arbeit erreicht.
Schleicher ist ander als Papen ein vorausschauender Stratege.
Bereits nach der Septemberwahl 1930, als klar wird, dass die NSDAP keine Splitterpartei mehr ist, beginnt er, Kontakte zu führenden Nationalsozialisten zu knüpfen und seine Fäden zu spinnen.
- Kann das funktionieren – die Nazis durch Umarmen entschärfen?
Schleicher scheint fest daran zu glauben.
Von ihm – und nicht von Papen – stammt die Idee, Hitler in die Regierung einzubinden, in der Hoffnung, ihn dadurch „abnutzen“ und blamieren zu können. Die 450.000 militärisch ausgebildeten Männer der SA will er in die Reichswehr eingliedern, sobald das erlaubt ist, um das 100.000-Mann-Heer der Weimarer Republik zu vergrößern, Schleicher rechnet damit im Jahr 1934.
- Es ist sein Plan, der 1933 der Weimarer Republik den Todesstoß versetzen wird. Allerdings anders umgesetzt und mit anderem Personal.
Oder sieht Schleicher in Hitler und den Nationalsozialisten das Rohmaterial, mit deren Hilfe er die Weimarer Republik zur rechtsgerichteten Militärdiktatur umbauen kann? Was dieser Bürogeneral wirklich will, bleibt oft im Verborgenen.
ANZEIGE
Berlin 1931: Die Wirtschaftskrise, bittere Armut und Hoffnungslosigkeit, gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen SA und Rotfront, der Machtkampf zwischen kriminellen Ringvereinen, die die Stadt unter sich aufgeteilt haben — das ist die Hintergrundgeschichte für den packenden 3. Krimi der Gereon-Rath-Krimireihe von Volker Kutscher. “Goldstein” ist die Vorlage zur 4. Staffel von Tom Tykwers Babylon Berlin — Collection Staffel 1–4*
Zum Amazon-Angebot:
Volker Kutscher, Goldstein*, Piper Taschenbuch; 2. Auflage, 2020, oder als Audible/Hörbuch* (kostenlos im Probemonat)
17. Juli 1932: Altonaer Blutsonntag
Es ist ein gefährliches Spiel, das Schleicher treibt, um Reichskanzler Brüning durch Papen zu ersetzen.
Denn Fränzchen ist den demokratischen Parteien der Weimarer Republik als Kanzler nicht vermittelbar; nicht mal seiner eigenen Partei, dem Zentrum.
Deshalb braucht das neue Kabinett im Reichstag die Tolerierung durch Abgeordnete nicht-demokratischer Parteien.
- Das läuft zunächst nach Plan: Die Nationalsozialisten tolerieren Papen und sein neues Kabinett: Damit kann verhindert werden, dass die neue Regierung sofort durch ein Misstrauensvotum wieder aus dem Amt gejagt wird.
Als Gegenleistung hebt Schleichers Marionetten-Kanzler Papen vereinbarungsgemäß das seit April 1932 geltende Verbot von SA und SS auf und setzt Neuwahlen für den Sommer an.
Kaum werden die nationalsozialistischen Schlägertruppen wieder von der Leine gelassen, provozieren sie überall im Land blutige Krawalle.
- Man zettelt bürgerkriegsähnliche Zustände an, um der Regierung dann lautstark vorwerfen zu können, dass sie die Gewalt auf den Straßen nicht unter Kontrolle bekommt.
Das ist die Strategie.
Besonders schlimm wird es am 17. Juli 1932, dem sogenannten „Blutsonntag“ in der damals preußischen Arbeiterstadt Altona, wo bei Auseinandersetzungen zwischen SA und SS, Kommunisten und der Polizei 18 Menschen sterben.
Die Reaktion der Reichsregierung auf den Gewaltausbruch ist eigenwillig: Anstatt die Provokateure der Ausschreitungen – SA und SS – erneut zu verbieten, wirft man der preußischen Landesregierung unter dem SPD-Ministerpräsident Otto Braun vor, sie sei nicht in der Lage, für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen, und setzt sie ab.
Diese Aktion, mit der man Preußens langjährigen und äußerst beliebten und einflussreichen Ministerpräsidenten Otto Braun entmachtet, geht als sogenannter „Preußenschlag” in die Geschichte ein.
Papens Preußenschlag und ein Erdrutschsieg der NSDAP
Reichskanzler Papen wird anstelle der abgesetzten preußischen Regierung Reichskommissar für Preußen und erhält damit die Macht über eines der letzten demokratischen Bollwerke der Weimarer Republik.
- Die SPD reagiert auf den verfassungsrechtlich fragwürdigen „Preußenschlag“ wie gewünscht und erwartet: Sie ruft ihre Mitglieder zu Ruhe und Besonnenheit auf und bittet sie inständig, auf Streiks und Massenprotesten gegen den Staatsstreich von oben zu verzichten und zieht vor Gericht.
Im tiefen Glauben an Verfassung und Republik schlägt man den Rechtsweg ein und klagt vor dem Staatsgerichtshof gegen den Willkürakt.
Papens Putsch von oben und der allgegenwärtigen braunen und rote Terror auf den Straßen verunsichert die Bevölkerung noch mehr; der Wunsch nach einer „Ordnungsmacht” wird immer größer, denn man hofft, dass sie tatsächlich für Ruhe und Ordnung sorgen kann.
Dank Hitlers unermüdlichen Wahlkampfeinsatz und der perfiden Propaganda seines Chef-Demagogen Joseph Goebbels, die darauf abzielt, Ängste zu schüren und mit Panikmache immer mehr Öl ins Feuer zu gießen, kann die NSDAP bei den Juliwahlen 1932 ihren Wähleranteil verdoppeln und erringt einen Erdrutsch-Sieg.
Nach der Wahl am 31. Juli 1932 zieht die NSDAP mit 37,4 Prozent der Wählerstimmen als die mit Abstand stärkste Fraktion in den neuen Reichstag ein.
Hindenburg und Hitler
NSDAP und KPD, zwei Parteien, die nichts so sehr wollen wie das Ende der Republik, verfügen im neuen Parlament über eine sogenannte „negative Mehrheit“: Sie haben gemeinsam mehr Abgeordnete als sämtliche demokratische (und halbdemokratische) Parteien zusammen.
Hermann Göring wird neuer Präsident des Reichstags
Und Hitler?
Der eilt am 13. August 1932 gemeinsam mit Papen zur Audienz beim Reichspräsidenten.
Vermutlich voller Vorfreude, denn eigentlich muss Hindenburg ihn, Hitler, als eindeutigen Wahlsieger mit der Regierungsbildung beauftragen.
- Aber dann kommt der Tiefschlag.
Hindenburg lässt sich nicht bequatschen, beharrt auf „seinem“ Kanzler Papen und bietet Hitler, der im Frühjahr 1932 auch noch gegen ihn, dem Helden von Tannenberg, bei der Reichspräsidentenwahl angetreten ist, die Vizekanzlerschaft an.
Hindenburg, der Ersatzkaiser der Deutschen, mag Hitler einfach nicht.
Der „Führer“ schäumt vor Wut und wittert Verrat.
Durch Papen. Dass Schleicher hinter Hindenburgs Sturheit stecken könnte, geht ihm erst sehr viel später auf.
Wutentbrannt kündigt Hitler die Tolerierung der Regierung Papen im Parlament auf.
Mit der Folge, dass die konstituierende Sitzung des neu gewählten Parlaments am 6. September 1932 mit Tumulten und einem von der NSDAP unterstützten Misstrauensvotum der KPD gegen Papen beginnt, das mit einer überwältigenden Mehrheit von 512 Stimmen angenommen wird.
Papen ist darauf vorbereitet.
Er hat die von Hindenburg bereits unterschriebene Auflöse-Order in der Tasche, die er dem neuen Reichstagspräsidenten Göring aufs Pult knallt.
- Der neugewählte Reichstag ist somit gleich wieder aufgelöst und die Deutschen werden – nach der Reichspräsidentenwahl im Frühling und der Reichstagswahl im Juli – für den 6. November 1932 ein weiteres Mal an die Urnen gerufen.
Bis zur Wahl im November bleiben Papen und sein „Kabinett der Barone” im Amt und regieren ohne Parlament und mit Notverordnungen, die Reichspräsident Hindenburg bereitwillig unterzeichnet.
Bei der NSDAP hofft man bei der Novemberwahl auf einen weiteren Erdrutschsieg, vielleicht sogar mit der absoluten Mehrheit im Reichstag. Die Weimarer Republik scheint im freien Fall ihrem Ende entgegenzustürzen
Abwärts mit Hitler: Die Novemberwahlschlappe der NSDAP 1932
Doch es kommt anders.
Die Stimmung bei vielen Wählerinnen und Wählern hat sich gedreht. Der harte Sparkurs Brünings hatte immerhin dazu geführt, dass der Versailler Vertrag als Lieblings-Zündstoff brauner Wahlkampfrhetorik nicht mehr herhalten kann, denn die Reparationszahlungen werden im Juli 1932 ersatzlos gestrichen.
- Deutschland verlässt Schritt für Schritt den Katzentisch der Weltpolitik; in Genf verhandelt man bereits mit den ehemaligen Kriegsgegnern Großbritannien und Frankreich über eine Wiederaufrüstung.
Der „Schandvertrag von Versailles“ verliert für die Rechten seine rhetorische Schlagkraft. Dazu kommt, dass auch die Wirtschaftskrise ihre Talsohle durchschritten hat und sich die ökonomischen Aussichten für das kommende Jahr 1933 aufhellen.
Trotz pausenlosem Wahlkampfeinsatz bis an den Rand der Erschöpfung verlieren Hitler, Goebbels und die NSDAP 2 Millionen Wählerstimmen.
Zwar stellt sie nach der Novemberwahl immer noch die stärkste Fraktion im Reichstag, aber ihren Nimbus, „unbesiegbar“ zu sein, ist weg.
- „Schlappe“ notiert Joseph Goebbels nach der Novemberwahl 1932 frustriert in sein Tagebuch, „Abwärts mit Hitler“ jubelt die SPD-Parteizeitung Vorwärts.
Ist der „Zauber der Unwiderstehlichkeit gebrochen“, wie die Deutsche Allgemeine Zeitung schreibt, — und Hitler am Ende?
Hat er seine einmalige Chance, legal an die Macht zu kommen, im Sommer 1932 verspielt, indem er sich weigerte, als Vizekanzler in Papens Regierung einzutreten?
Fast sieht es so aus, denn nach der Wahl im November gehen für die Nationalsozialisten noch weitere Wahlen verloren, auch die wichtige Kommunalwahl in Thüringen.
Nach den aufwändigen Wahlkämpfen steht die Partei außerdem mit rund 14 Millionen Mark in der Kreide.
Und nicht nur Lieferanten und Druckereien mahnen zunehmend ungeduldig ihre Bezahlung an, auch 450.000 SA-Männer warten auf ihren Sold. Und auf Macht, Pöstchen und Posten, die viele sich ausrechnen, wenn sie auf den kommenden Mann, für den sie Hitler bislang hielten, setzen.
Diese Aussichten scheinen jetzt vorbei zu sein.
„Wenn Joseph Goebbels die Analyse der Politischen Polizei in München über seine NSDAP lesen würde, wäre ihm das Alpenpanorama egal: ‚Nicht nur, dass die Neuaufnahmen fast ganz ausgeblieben sind, macht sich auch eine Flauheit unter den Mitgliedern bemerkbar; zahlreiche Austritte sind an der Tagesordnung, die Beiträge gehen stockend ein. …‘
Die Anschauung, dass der Höhepunkt überschritten ist und vielleicht günstige Aussichten verpasst wurden, ist Gemeingut vieler Nationalsozialisten geworden.“
Aus: Rüdiger Barth, Hauke Friedrichs, Die Totengräber: Der letzte Winter der Weimarer Republik*
Copyright: Agentur für Bildbiographien, www.bildbiographien.de, 2021, überarbeitet 2024
Lesen Sie im nächsten Beitrag: Ende 1932 scheint Hitlers Aufstieg zur Macht endgültig gestoppt zu sein: Die „Hitler-Partei“ ist pleite, zerstritten und hat am 6. November 1932 – das erste Mal seit zwei Jahren – Wählerstimmen verloren. Und trotzdem ernennt der Präsident der Weimarer Republik, Paul von Hindenburg, Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler.
Wie konnte das passieren?
1933 Das Ende der Republik. Hitlers Aufstieg zur Macht
Buch- und Filmempfehlungen:
Die mit * gekennzeichneten Links sind sogenannte Affilate-Links, die helfen, den Blog Generationengespräch zu finanzieren. Wenn Ihnen eine der angegebenen Empfehlungen gefällt und Sie das Buch (oder ein anderes Produkt) über diesen Link bestellen, erhält der Blog dafür eine kleine Provision, ohne dass für Sie Mehrkosten entstehen. Für Ihren Klick: Herzlichen Dank im Voraus!
Das kurze und aufregende Leben in der Zwischenkriegszeit 1918 bis 1933, die Weimarer Republik zwischen Aufbruch und Untergang. Ein großartig und spannend geschriebenes Panorama einer Zeit, in der alles neu war: Demokratie, Körperkult, Liebe, Architektur, Mode, Emanzipation und vieles mehr. Sehr lesenswert!
Zum Amazon-Angebot:
Harald Jähner, Höhenrausch: Das kurze Leben zwischen den Kriegen*, Rowohlt Berlin; 3. Edition, 2022 oder als Audible/Hörbuch* (kostenlos im Probemonat)
Berlin, Juli 1932, der vierte Fall von Gereon Rath. Dieses Mal soll er einen mysteriösen Mord im Lastenaufzug von Haus Vaterland, dem legendären Vergnügungstempel am Potsdamer Platz, aufklären und gerät dabei in die Wirren des „Preußenschlags”. Rath ist froh, dass ihn seine Ermittlungen in eine masurische Kleinstadt führen, aber dort versinkt er noch tiefer in der aufgewühlten Stimmung dieser Zeit.
Wie immer ein erstklassiger Krimi — und ein detailgenaues Stimmungsbild der Weimarer Republik in jenen Tagen. Lesenswert!
Zum Amazon-Angebot:
Volker Kutscher: Die Akte Vaterland*, Piper Taschenbuch, 2023 oder als Hörbuch/Audible* (kostenlos im Probemonat)
Das Ende der Republik Das zähe Ringen aller Akteure — Hindenburg, Hitler, Papen, Schleicher, Goebbels — um die Macht, aber auch das Lebensgefühl der “kleinen Leute” zu Beginn der 1930er Jahre spannend und aufschlussreich mit Zeitzeugenberichten, Anekdoten und Episoden erzählt.
Zum Amazon-Angebot:
Rüdiger Barth, Hauke Friedrichs, Die Totengräber: Der letzte Winter der Weimarer Republik*, FISCHER Taschenbuch, 2019
Das Lebensgefühl der Deutschen Ende der 1920er Jahre, die Zerrissenheit der Weimarer Republik zwischen Links und Rechts und ein packender Krimi nach Volker Kutschers Gereon-Rath-Krimireihe* perfekt in Szene gesetzt. Eine sehenswerte Serie für alle, die sich für die Zwanziger Jahre begeistern — und für die, die Zeitgeschichte vor allem durch die Menschen, die damals gelebt haben, begreifen wollen.
Zum Amazon-Angebot:
Tom Tykwers Babylon Berlin — Collection Staffel 1–4*, 2023, [12 DVDs]
Zaristen, Trotzkisten, Stalinisten - und die Zerrissenheit der Weimarer Republik zwischen Links und Rechts ist die Hintergrundgeschichte der packenden Gereon-Rath-Krimireihe von Volker Kutscher, die im Berlin der 1920er Jahre spielt. Der erste Band spielt vor dem Hintergrund der blutigen Mai-Unruhen in Berlin 1929 — Vorlage für Tom Tykwers Babylon Berlin — Collection Staffel 1–4*
Zum Amazon-Angebot:
Volker Kutscher, Der nasse Fisch*, Piper Taschenbuch; 2. Auflage, 2020, oder als Audible/Hörbuch* (kostenlos im Probemonat)
Die 90 spannendsten Kapitel des beliebten Podcasts “Eine Stunde History” von Deutschlandfunk-Nova zusammengefasst in einem Buch zum Blättern und Schmökern. Am Ende eines jeden Kapitels verweist ein QR-Code auf den jeweiligen Podcast, so dass man bei Bedarf das jeweilige Thema vertiefen kann. Ein spannendes Format und ein spannendes Buch — sehr lesens- und hörenswert!
Zum Amazon-Angebot:
Matthias von Hellfeld, Markus Dichmann, Meike Rosenplänter, History für Eilige: Alles, was man über Geschichte muss* Verlag Herder, 2020
Die Frauen der Nazigrößen — waren sie Opfer, Verführte oder Täterinnen? Die Historikerin Anna Maria Sigmund wirft einen spannenden Blick hinter die Kulissen der NS-Highsociety und berichtet sehr lesenswert u.a. über Magda Goebbels, Geli Raubal, Eva Braun, Emmy Göring und Leni Riefenstahl. Empfehlenswert!
Zum Amazon-Angebot:
Anna Maria Sigmund, Die Frauen der Nazis*. Wilhelm Heyne Verlag, München, 2013
Weiterführende Artikel:
Das Ende der Republik: Es ist nicht das Wählervotum, das den roten Teppich für Adolf Hitler ausrollt, sondern das katastrophale Agieren von mehr oder minder demokratischen Politikern, die mit einer Mischung aus Ignoranz, Dummheit und Selbstsucht die erste Demokratie auf deutschem Boden gegen die Wand fahren.
1932: Das Ende der Republik. Brüning, der Hungerkanzler
Frauen im Dritten Reich: Einer der schillerndsten Frauen im Nationalsozialismus war Magda Goebbels, die Frau des Propagandaministers Joseph Goebbels. Wer war diese Frau, die bei einem jüdischen Stiefvater aufgewachsen ist, sich nie für Politik interessiert hat und am Ende ihre sechs Kinder dem „Führer“ opferte? Eine Fanatikerin – oder eine Lebensmüde?
Magda Goebbels: Eine schöne, schöne Frau
Beschwingte Zeiten zwischen zwei Katastrophen: Die Goldenen Zwanziger Jahre sind ein Tanz auf dem Vulkan, der direkt ins wirtschaftliche Desaster des 24. Oktober 1929 führt. Über die Vorgeschichte der Weltwirtschaftskrise vom “Jetzt-kaufen-später-zahlen” bis zur “Goldfalle”
Der “Schwarze Freitag”: Vom Börsenkrach zur Weltwirtschaftskrise
SPD und NSDAP sind Zwillinge! In den 1920er Jahren tobt ein heftiger Machtkampf zwischen den beiden Arbeiterparteien SPD und KPD: Die Sozialdemokraten versuchen, die Republik zu stützen, die Kommunisten arbeiten an der Sowjetrepublik Deutschland. Eine der Folgen ist die sogenannte „Sozialfaschismustheorie”, die besagt, dass der eigentliche Feind der KPD die SPD und nicht die NSDAP ist. Eine wirkungsvolle Kooperation beider Arbeiterparteien, um Hitler zu verhindern, ist damit ausgeschlossen.
Hamburg auf den Barrikaden
Das Generationengespräch im Überblick: Biografien, Liebe, Opfer, Mord, Krieg und andere Geschichten der letzten 300 Jahre, die unsere Welt zu dem gemacht haben, die sie heute ist.
Das Generationengespräch: Geschichte(n) im Überblick
Bildnachweise:
Kurt von Schleicher: Von Bundesarchiv, Bild 136-B0228 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 de über Wikimedia Commons
Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein. Kurt von Schleicher Reichsminister General Kurt von Schleicher (erschossen 1934 bei Röhm-Revolte) in Uniform, Porträt Abgebildete Personen: Schleicher, Kurt von: Reichskanzler, Reichswehrminister, General, 1934 ermordet, Deutschland (GND 118608037)
Franz von Papen: Von Bundesarchiv, Bild 183‑1988-0113–500 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 de über Wikimedia Commons
Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein. Geburtstag des Vizekanzlers. Der Stellvertreter des Reichskanzlers, Vizekanzler Franz von Papen, wird am 29.10. 54 Jahre alt. Herr von Papen, der sich um die Einigung des nationalen Deutschland ein historisches Verdienst erworben hat, ist gebürtiger Westfale und war zunächst aktiver Offizier, 1913 Hauptmann im Grossen Generalstab, 1914–16 Militär-Attachè in Washington und in Mexiko. In den beiden letzten Kriegsjahren nahm Herr von Papen am Feldzug teil und war zuletzt Oberstleutnant und Chef des Stabes der 4. Osmanischen Armee. Als Mitglied des Zentrums hat er dem Preussischen Landtag von 1920 bis 1928 und von 1930 — 1932 angehört. Am 1. Juni 1932 übernahm Herr von Papen auf Wunsch des Reichspräsidenten das Reichskanzleramt, das er bis zum 2. Dezember innehatte. Seit dem 30. Januar 33 , dem Tag der Amtsübernahme der Regierung Hitler, ist Herr von Papen Stellvertreter des Reichskanzlers. 37161–33
Franz von Papen als deutscher Militärattaché in Washington, D.C. (1914), gemeinfrei
Von Bundesarchiv, Bild 102–13680 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 de über Wikimedia Commons
Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein. Der Ausnahmezustand in Berlin! Die von der Militärbehörde verhafteten und ihres Amtes enthobenen preussischen Polizeiminister Severing, Grzesinsky, Dr. Weiss und Kommandeur Heimannsberg Die Verordnung des Reichspräsidenten von Hindenburg über den Ausnahmezustand an den Litfassäulen in den Strassen Berlins.
Von Bundesarchiv, Bild 183-R99203 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 de über Wikimedia Common
ADN-ZB-Archiv Reichspräsidenten 1932 Im März 1932 war die Amtszeit des Reichspräsidenten abgelaufen. Der Wahlkampf tobte erbittert. Die Deutschnationalen stellten Hindenburg als Kandidaten auf. Richtig verkündeten die Kommunisten:“Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler! Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!” UBz:Wahlplakat für Hindenburg [in Berlin] Scherl Bilderdienst
Alankazame, Composition du Reichstag allemand après les élections fédérales de juillet 1932, Oeuvre personnelle, Voir wikipédia, 2008
“.……Hermann Göring wird neuer Präsident des Reichstags
Und Hitler? — Der eilt am 13. August 1932 gemeinsam mit Papen zur Audienz beim Reichskanzler. Müsste es hier nicht > beim Reichspräsidenten Röhmputsch< gleich mit umgebracht ?].….. “
Absolut richtig! Danke fürs aufmerksame Lesen und den Hinweis (… ist jetzt korrigiert!) Herzliche Grüße!