
British politician Sir Oswald Ernald Mosley, 6th Baronet (1896–1980) and Lady Cynthia, née Cynthia Blanche Curzon (1898–1933), on their wedding day. By George Grantham Bain Collection (Library of Congress)
Sir Oswald Mosley, seit 1928 Erbe des Familientitels und damit 6. Baronet, hat nicht nur Schlag bei den Frauen (unter anderem werden ihm Affären mit der Schwester und der Stiefmutter seiner Frau Cynthia nachgesagt), sondern zeichnet sich vor allem auch durch seine wechselnden politischen Einstellungen und – damit verbunden – einer abwechslungsreichen Berufskarriere aus. Nachdem er in Großbritannien allen demokratischen Parteien angehört hat, gründet er 1932 schließlich die faschistische ‘BUF’ und versucht sich als britische Ausgabe Adolf Hitlers. Anfangs hat er damit sogar Erfolg …
Wie viele andere seiner Generation ist Oswald Mosley ein Gestrandeter des Jahres 1918: Nach einem Flugzeugabsturz und schwerer Beinverletzung kehrt der knapp 20jährige als Invalide aus dem 1. Weltkrieg zurück und beschließt, Politiker zu werden.
Sein Glück findet er zunächst bei den Konservativen, für die er 1918 mangels ernsthafter Konkurrenz mühelos beim ersten Anlauf einen Sitz im Unterhaus gewinnt.
Mosley macht sich trotz seiner Jugend schnell einen Namen als glänzender Redner und selbstbewusster Politiker. Aber nach nur zwei Jahren Parlamentsarbeit zerstreitet er sich mit seiner Partei.
Danach drückt er für kurze Zeit als unabhängiger Abgeordneter die Oppositionsbank, wendet sich dann aber der Konkurrenz der Konservativen, der sozialdemokratischen Labour Partei, zu.
Auch diese Liaison endet im Zerwürfnis.
Zwar erreicht der immer ungeduldige Mosley einen kleinen Aufstieg innerhalb Labours, doch statt des erhofften Ministeramtes in einem wichtigen Ministerium wird er nach der Wahl von 1929 lediglich zum Minister ohne Geschäftsbereich ernannt.
Das kränkt ihn zutiefst.
Als dann 1931 auch noch sein radikales Wirtschaftsprogramm – das „Mosley Memorandum“ – von der großen Mehrheit der Partei abgelehnt wird, kehrt er auch Labour den Rücken und gründet mit der „New Party“ seine eigene Partei.
Wie alle anderen Länder der Welt wird auch Großbritannien von der Weltwirtschaftskrise 1929 schwer gebeutelt:
…“Die Regierung beharrte auf der finanzpolitischen Orthodoxie, und die verlangte einen ausgeglichenen Haushalt. Noch steckten Theorien über unorthodoxe Maßnahmen gegen die Rezession, die Defizitfinanzierung etwa, in den Kinderschuhen. Keynes, der, peinlich genug, kurz nach dem Crash an der Wall Street vorausgesagt hatte, das werde für London keine ernsthaften Konsequenzen haben, die Aussichten seien vielmehr entschieden positiv, hatte seine Theorie antizyklischer Wirtschaftspolitik noch nicht abgeschlossen. Als die Krise einsetzte war es Oswald Mosley, der das ambitionierteste Modell einer geplanten Wirtschaft vorlegte; er wollte Wachstum durch Kreditaufnahme finanzieren.Seinen unbestreitbaren Fähigkeiten entsprachen seinen Ambitionen, seine Ungeduld und seine Heimatlosigkeit …”
aus: Ian Kershaw, Höllensturz: Europa 1914 bis 1949*
Vom Duce das Siegen lernen
Mosleys „New Party“ zeigt schon deutliche Ähnlichkeiten zur deutschen NSDAP und hat mit der dazugehörigen „Active Force“ sogar eine parteieigene Schlägertruppe.
Aber trotz der faschistoiden Raubkopie und trotz der andauernden Weltwirtschaftskrise, die die Briten ebenso hart getroffen hat wie ihre europäischen Nachbarn auf dem Kontinent, hat sie keinerlei Erfolg.
Bei den Wahlen zum britischen Unterhaus im Jahr 1931 bekommt die „New Party“ keinen einzigen Sitz.
Mosley zieht aus der peinlichen Niederlage schnell seine Konsequenzen, löst seine Partei noch am Wahlabend auf und flüchtet nach Italien, um vom damaligen Star der faschistischen Bewegung, Benito Mussolini, persönlich das Siegen zu lernen.
Hail Mosley!
Inspiriert und vollends zum Faschismus bekehrt, gelingt es Mosley schließlich im Oktober 1932, alle britischen rechtsextremen Splitterparteien unter dem Dach der „BUF“ (British Union of Fascists) zu vereinen.
Vom europäischen Festland hat er dafür das komplette faschistische Programm mitgebracht: die straffe Parteiführung, das Gedankengut, die Schwarzhemden („Blackshirts“) der SS als Parteiuniform bis hin zum „Hail Mosley“ inklusive des „deutschen Grußes“ . Er selbst lässt sich von nun an als „Leader“ ansprechen.
Die Maßnahmen zeigen schnell Wirkung: Die BUF wird von der Tageszeitung Daily Mail enthusiastisch unterstützt, und angeblich sollen sich der neuen Partei in kürzester Zeit rund 50.000 Mitglieder angeschlossen haben.

Bundesarchiv_Bild_183-1987–0410-501, Nürnberg, Reichsparteitag, SA-Aufmarsch. Licensed under CC BY-SA 3.0
Neben seinen politischen Aktivitäten findet Mosley auch immer noch Zeit, seinen Ruf als notorischer Frauenheld zu pflegen.
Als Diana Guinness, eine Schwester von Unity Mitford, für ihn ihren Ehemann, den millionenschweren Erben des Bier- und Whiskyimperiums Bryan Guinness, sitzenlässt, um seine Geliebte zu werden, ist der Skandal perfekt und erschüttert die britische High-Society vermutlich mehr als die bittere Armut der meisten ihrer Landsleute infolge der Rezession.
An eine Trennung von Gattin Cynthia („Cimmie“) denkt Mosley nicht im Traum, schließlich ist sie nicht Irgendwer, sondern die zweitälteste Tochter des ehemaligen Vizekönigs von Indien, Lord Curzon.
Sein Schwiegervater ist reich und hat ungeheuer großen Einfluss.
Was aber schwerer wiegt, ist, dass bei seiner Hochzeit mit Cimmie im Jahr 1920 fast der gesamte europäische Hochadel einschließlich vieler Mitglieder des englischen Königshauses zu den Gästen zählten.
Das verpflichtet.
Als Mosleys Frau im Mai 1933 nach einer Operation an einer Bauchfellentzündung stirbt, heiratet er Diana trotzdem nicht, sondern stürzt sich stattdessen in Affären mit anderen Frauen.
Erst drei Jahre später, im Oktober 1936 nachdem seine BUF gescheitert und in Auflösung begriffen ist, heiraten er und Diana heimlich im Berliner Büro Joseph Goebbels’.
Außer den Trauzeugen und dem Standesbeamten waren nur Hitler und Goebbels anwesend. Hitler schenkte dem jungen Paar zur Hochzeit ein Porträt von sich in einem silbernen Rahmen.
1936: Das Jahr des Scheiterns
Trotz aller Anstrengungen gewinnt Mosleys brauner Ableger nie den gleichen Schwung wie die faschistischen Schwester-Parteien auf dem Kontinent; die Briten sind trotz aller Mühen kaum für rechtsextremes Gedankengut zu begeistern.
Es wird viel Krawall gemacht, doch selbst in den Londoner Slums mag sich die Mehrheit der Menschen den Protestmärschen gegen Juden und Kommunisten nicht anschließen. Trotz der katastrophalen Verarmung der britischen Mittel- und Unterschicht als Folge der Weltwirtschaftskrise bleibt die Mehrheit der Briten ihren alten demokratischen Wurzeln treu.
Nach einer Massenschlägerei auf einer Großveranstaltung im Juni 1934 verliert die BUF den größten Teil ihrer Anhänger und schrumpft bis 1936 auf eine im Vergleich winzige Truppe von 8.000 Unentwegten.
Copyright: Agentur für Bildbiographien, 2018
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Bildnachweise:
1. British politician Sir Oswald Ernald Mosley, 6th Baronet (1896–1980) and Lady Cynthia, née Cynthia Blanche Curzon (1898–1933), on their wedding day. By George Grantham Bain Collection (Library of Congress) [Public domain]
2. Bundesarchiv_Bild_183-1987–0410-501, Nürnberg, Reichsparteitag, SA-Aufmarsch. Licensed under CC BY-SA 3.0