Sir Oswald Mosley (1896 — 1980), seines Zeichens Erbe und 6. Baronet, hat nicht nur Schlag bei den Frauen, sondern auch wechselnde politische Einstellungen, was mit einer abwechslungsreichen Berufskarriere verbunden ist.
Nachdem er in Großbritannien sämtlichen demokratischen Parteien angehört hat, gründet er 1932 die faschistische BUF und versucht sich als britische Kopie von Adolf Hitler.
Nach dem 1. Weltkrieg aus der Bahn geworfen
Wie viele andere junge Männer seiner Generation ist Oswald Mosley ein Gestrandeter des Jahres 1918.
Nachdem er einen Flugzeugabsturz mit einer schweren Beinverletzung überlebt hat, kehrt er mit knapp 20 Jahren als Invalide aus dem 1. Weltkrieg zurück und beschließt, Politiker zu werden.
Sein Glück findet er zunächst bei den Konservativen, für die er 1918 mangels ernsthafter Konkurrenz mühelos beim ersten Anlauf einen Sitz im Unterhaus gewinnt.
Mosley macht sich trotz seiner Jugend schnell einen Namen als glänzender Redner und selbstbewusster Politiker. Aber nach nur zwei Jahren Parlamentsarbeit zerstreitet er sich mit seiner Partei.
Danach drückt er für kurze Zeit als unabhängiger Abgeordneter die Oppositionsbank, wendet sich dann aber der Konkurrenz der Konservativen zu, der sozialdemokratischen Labour Partei.
Doch weder seine 1920 geschlossene Ehe mit Lady Cynthia, die zweitälteste Tochter des ehemaligen Vizekönigs von Indien, Lord Curzon, noch seine politische Karriere haben Bestand.
Cynthia bekommt schnell Konkurrenz durch Diana Guinness, einer Schwester Unity Mitfords, die seine offizielle Geliebte wird.
Auch die Liason mit Labour endet im Zerwürfnis.
Der Grund dafür: Mosley ist ehrgeizig und immer ungeduldig. Innerhalb Labours schafft er zwar einen kleinen Aufstieg, aber nach der Wahl 1929 wird er nicht wie erhofft Minister in einem wichtigen Ministerium, sondern lediglich zum Minister ohne Geschäftsbereich.
Das kränkt ihn zutiefst.

Mosleys “New Party”
Als dann auch noch sein radikales Wirtschaftsprogramm – das „Mosley Memorandum“ aus dem Jahr 1931 – von der großen Mehrheit der Partei abgelehnt wird, kehrt er auch Labour den Rücken und gründet seine eigene Partei, die „New Party“.
Mosley hat einen Plan, wie man aus der verheerenden Weltwirtschaftskrise 1929 herauskommen könnte, die auch Großbritannien schwer getroffen hat.
Damals waren seine Ideen für viele zu modern; aus heutiger Sicht hätten sie tatsächlich den Weg aus der Krise ebnen können:
“Die Regierung beharrte auf der finanzpolitischen Orthodoxie, und die verlangte einen ausgeglichenen Haushalt.
Noch steckten Theorien über unorthodoxe Maßnahmen gegen die Rezession, die Defizitfinanzierung etwa, in den Kinderschuhen. Keynes, der, peinlich genug, kurz nach dem Crash an der Wall Street vorausgesagt hatte, das werde für London keine ernsthaften Konsequenzen haben, die Aussichten seien vielmehr entschieden positiv, hatte seine Theorie antizyklischer Wirtschaftspolitik noch nicht abgeschlossen.
Als die Krise einsetzte, war es Oswald Mosley, der das ambitionierteste Modell einer geplanten Wirtschaft vorlegte; er wollte Wachstum durch Kreditaufnahme finanzieren. Seinen unbestreitbaren Fähigkeiten entsprachen seinen Ambitionen, seine Ungeduld und seine Heimatlosigkeit …”
Aus: Ian Kershaw, Höllensturz: Europa 1914 bis 1949*
Außer dem für die damalige Zeit verwegenen Plan, Wachstum durch Kreditaufnahme zu finanzieren, enthält das Parteiprogramm von Mosleys „New Party“ viele Vorstellungen, die bereits deutliche Ähnlichkeiten zur deutschen NSDAP haben — inklusive einer parteieigenen Schlägertruppe, die allerdings nicht SA (Sturmabteilung), sondern „Active Force“ heißt.
Aber trotz der faschistoiden Raubkopie und trotz der andauernden Weltwirtschaftskrise, die die Briten genauso verarmen lässt wie die Deutschen und alle anderen europäischen Nachbarn auf dem Kontinent, hat sie keinen Erfolg.
Vom “Duce” das Siegen lernen
Bei den Wahlen zum britischen Unterhaus im Jahr 1931 erringt Mosleys „New Party“ keinen einzigen Sitz.
Mosley zieht aus der peinlichen Niederlage schnell seine Konsequenzen, löst seine Partei noch am Wahlabend auf und flüchtet nach Italien, um vom damaligen Star der faschistischen Bewegung, Benito Mussolini, persönlich das Siegen zu lernen.
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Inspiriert, voller Tatendrang und vollends zum Faschismus bekehrt, kommt Mosley aus Italien zurück und schafft es im Oktober 1932, alle britischen rechtsextremen Splitterparteien unter dem Dach der „BUF“ (British Union of Fascists) zu vereinen.
Vom europäischen Festland hat er dafür das komplette faschistische Programm mitgebracht: die straffe Parteiführung, das Gedanken- und Liedgut, die Schwarzhemden („Blackshirts“) der SS als Parteiuniform bis hin zum „Hail Mosley“ inklusive des „deutschen Grußes“.
Er selbst lässt sich ab sofort als „Leader“ ansprechen.
Hail Mosley!
Die Maßnahmen des neuen “Leaders” zeigen schnell Wirkung: Die Tageszeitung Daily Mail unterstützt die BUF mehr oder weniger offensichtlich und innerhalb kürzester Zeit hat die neue Partei nach eigenen Angaben rund 50.000 Mitglieder, die sich ihr enthusiastisch anschließen.

Neben seinen politischen Aktivitäten findet Mosley auch immer noch Zeit, seinem Ruf als Frauenheld gerecht zu werden — unter anderem werden ihm Affären mit der Schwester seiner Frau und deren Stiefmutter nachgesagt.
Als Diana Guinness, eine Schwester von Unity Mitford, für ihn ihren Ehemann, den millionenschweren Erben des Bier- und Whiskyimperiums Bryan Guinness, sitzenlässt, um seine Geliebte zu werden, ist der Skandal perfekt.
Der erschüttert die britische High-Society vermutlich mehr als die bittere Armut im Land infolge der Rezession.
An eine Trennung von Gattin Cynthia („Cimmie“) denkt Mosley nicht im Traum, schließlich ist sie nicht Irgendwer, sondern die zweitälteste Tochter des ehemaligen Vizekönigs von Indien, Lord Curzon.
Als Cynthia im Mai 1933 nach einer Operation an einer Bauchfellentzündung stirbt, heiratet er Diana trotzdem nicht, sondern stürzt sich stattdessen in Affären mit anderen Frauen.
Erst drei Jahre später, im Oktober 1936 nachdem seine BUF gescheitert und in Auflösung begriffen ist, heiratet er Diana heimlich im Berliner Büro Joseph Goebbels’. Außer den Trauzeugen und dem Standesbeamten sind nur Hitler und Goebbels anwesend.
Hitler schenkt dem jungen Paar zur Hochzeit ein Porträt von sich in einem silbernen Rahmen.
1936: Das Jahr des Scheiterns
Trotz aller Anstrengungen und ersten Erfolgen gewinnt Mosleys brauner Ableger nie den gleichen Schwung wie die faschistischen Schwester-Parteien auf dem Kontinent.
Die Briten sind nur schwer für rechtsextremes Gedankengut zu begeistern.
Es wird zwar viel BUF-Krawall gemacht, doch selbst in den Londoner Slums mag sich die Mehrheit der Menschen den Protestmärschen gegen Juden und Kommunisten nicht anschließen.
Anders als in Deutschland bleibt die Mehrheit der Briten trotz Weltwirtschaftskrise ihren alten demokratischen Wurzeln treu.
Nach einer Massenschlägerei auf einer Großveranstaltung im Juni 1934 verliert Mosleys BUF den größten Teil ihrer Anhänger.
Bis 1936 schrumpft sie auf eine winzige Truppe von 8.000 Unentwegten.
Der britische Flirt mit dem Nationalsozialismus war beendet.
Mosley hält sich noch einige Zeit lang in Deutschland auf, kehrt aber zu Kriegsbeginn 1939 nach Großbritannien zurück, wo er bis 1945 interniert wird.
Copyright: Agentur für Bildbiographien, 2018 (überarbeitet 2023)
Lesen Sie im nächsten Beitrag: Die letzten freien Wahlen am 6. November 1932 besiegeln das Schicksal der Deutschen. Es ist aber nicht das Wählervotum, das den roten Teppich für Adolf Hitler ausrollt, sondern das katastrophale Agieren von mehr oder minder demokratischen Politikern, die mit einer Mischung aus Ignoranz, Dummheit und Selbstsucht die erste Demokratie auf deutschem Boden gegen die Wand fahren.
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1929: Tatsächlich ist der „Schwarze Freitag“ ein Donnerstag. Am 24. Oktober 1929 beginnen an der New Yorker Wall Street die Aktienkurse zu rutschen. Gegen Mittag wird aus Nervosität Panik, der Dow Jones sackt ab, der Handel bricht mehrmals zusammen. Der Crash wird schließlich zur Wirtschaftskrise, als jeder versucht zu retten, was noch zu retten ist — egal, zu welchem Preis.
Der Schwarze Freitag: Vom Börsenkrach zur Weltwirtschaftskrise
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Bildnachweise:
British politician Sir Oswald Ernald Mosley, 6th Baronet (1896–1980) and Lady Cynthia, née Cynthia Blanche Curzon (1898–1933), on their wedding day. By George Grantham Bain Collection (Library of Congress) [Public domain]Bundesarchiv_Bild_183-1987–0410-501, Nürnberg, Reichsparteitag, SA-Aufmarsch. Licensed under CC BY-SA 3.0