4474 Tage dauerte das “1000-jährige Reich” auf deutschem Boden. Dann brach es am 8. Mai 1945 in einem Inferno aus Blut, Tränen und Millionen Toten zusammen.
Der 2. Weltkrieg: Eine Chronik des fürchterlichsten Krieges in der Weltgeschichte.
Sebastian Haffner schildert in seinen ‚Anmerkungen zu Hitler‘ (1978) einen Zeitraum vom Frühjahr 1938 bis zum Frühjahr 1939, in dem bis zu 90 Prozent aller Deutschen Hitler-Anhänger gewesen sein sollen.
In dieser Zeit scheint dem “Führer” alles zu gelingen.
„… Wenn Hitler Ende 1938 einem Attentat zum Opfer gefallen wäre, würden nur wenige zögern, ihn einen der größten Staatsmänner der Deutschen zu nennen.”
Joachim Fest, Hitler-Eine Biographie*
Dass Hitler Krieg will, ist den meisten zunächst nicht klar. Seinen Wahn vom deutschen “Lebensraum” kann zwar seit 1925 jeder in „Mein Kampf“ nachlesen, aber fast niemand glaubte das, was da zu lesen ist. Schlimmer noch: Bis auf Stalin hat auch fast keiner der Politiker und Mächtigen anderer Staaten Hitlers Pamphlet gelesen.
Doch Hitler meint es ernst. Seit der „Machtergreifung“ im Jahr 1933 wird die deutsche Außen- und Innenpolitik, die Wirtschafts- und Finanzpolitik systematisch auf ‘Krieg’ ausgerichtet.
- Ab 1936/37 ist Hitlers Krieg nicht nur gewollt, sondern auch militärisch und vor allem auch wirtschaftlich nicht mehr zu vermeiden.
Die Ouvertüre: Appeasement 1938
Der eigentliche Irrsinn ist, dass außer Hitler (und seine Entourage) im Jahr 1939 — gerade mal 20 Jahre nach dem Ende des 1. Weltkrieges — fast niemand einen neuen Krieg will.
Die Briten und Franzosen nicht, die Sowjets nicht und auch nicht die meisten Deutschen.
Hochrangige deutsche Militärs schmieden während der Sudetenkrise 1938 sogar Putschpläne gegen Hitler, sollte er das Sudetenland gewaltsam besetzen.
- Offizier der Wehrmacht warten nur noch auf ein positives Zeichen aus Großbritannien und Frankreich, dann hätten sie — im Falle einer militärischen Besetzung des Sudetenlands — losgeschlagen, um Hitlers Kriegspläne durch einen Putsch zu stoppen.
Sie warten vergeblich: Am Abend des 29. September 1938 wird das Münchner Abkommen verkündet, das die Sudetenkrise beendet.
Das Aufatmen im Reich und in ganz Europa ist unermesslich groß.
Einen Krieg soll es nicht geben.
Hitler hatte ein weiteres seiner Vabanquespiele gewonnen.
Die Besetzung der “Rest-Tschechei”
Dies sei nun die letzte Forderung, die ich an die Welt zu stellen habe, verkündet der “Führer” in einer Rede kurz nach dem Abkommen. Es ist wie so oft eine Lüge.
Nach der Besetzung des Sudetenlandes laufen die Kriegsvorbereitungen auf Hochtouren.
Die sogenannte “Rest-Tschechei” sei kein lebensfähiger Staat, heißt es in der deutschen Propaganda, die deutsche Generalität mache sich Sorgen über die geopolitische Lage dieses Staates.
Auf der Landkarte betrachtet säße er wie “ein Pfahl im Fleisch des großdeutschen Reiches”.
Goebbels’ Propagandaministerium lässt in den Zeitungen und über den Rundfunk fast täglich Berichte über angebliche Gräueltaten verbreiten, die Tschechen an harmlosen Sudetendeutschen verübt haben sollen.
Immer wieder heißt es, dass Böhmen für die Russen eine ideale Flugbasis bilde. Wer will, kann ahnen, dass Hitlers Machthunger noch lange nicht gestillt ist.
Ein knappes halbes Jahr nach dem Münchner Abkommen, im März 1939, marschiert die Wehrmacht in Prag ein.
Die reiche und hochentwickelte Tschechoslowakei, die einst als die “zweite Schweiz Europas” gegolten hat, verschwindet von der Landkarte.
Die “britischen Gouvernanten” zieren sich
Seit Mitte der 1930er Jahre wirbt Hitler bei den Briten für ein gemeinsames Bündnis. Denn die britische Oberschicht — und nur die Oberschicht — hält er für den Ariern ebenbürtig.
Ab dem Jahr 1934 finden sogenannte „Pilgerreisen“ britischer Politiker, Journalisten, Adliger und Industrieller statt.
In Berlin oder auf dem Obersalzberg werden sie vom “Führer” persönlich empfangen, um sie vom Sinn eines solchen Bündnisses zu überzeugen. Lange Zeit scheint man auf der Insel den Plänen eines deutsch-britischen Techtelmechtels nicht abgeneigt zu sein.
Aber die “britischen Gouvernanten” (Hitler) zieren sich.
Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Prag im März 1939 geben sie ihm endgültig einen Korb. Die britischen Appeaser sind tief enttäuscht über Hitlers erneutem Wortbruch, wenden sich ab und verhängen Sanktionen gegen die Deutschen.
Freie Bahn für den 2. Weltkrieg: Der Hitler-Stalin-Pakt
Danach geschieht das Unfassbare.
Nach mehreren Monaten Geheimverhandlungen schließen im August 1939 “Unmensch” und “Bestie”, wie sich die Diktatoren Hitler und Stalin gegenseitig zu bezeichnen pflegen — einen “Nichtangriffspakt“.
Die Unterschriften unter den Verträgen und dem “geheimen Zusatzprotokoll” (die Neuaufteilung Osteuropas, wenn es zu “territorialen Verschiebungen” kommt) ist kaum trocken, als die deutsche Wehrmacht am 1. September 1939 ohne Kriegserklärung das mit Frankreich und Großbritannien verbündete Polen angreift.
Der Zweite Weltkrieg hat begonnen.
“Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen” …
Als die Deutschen am 1. September 1939 über die Rundfunkgeräte immer wieder die Passage hören müssen, mit der Hitler vor dem Reichstag den Überfall auf Polen rechtfertigt, ahnen viele, dass der angebliche Kriegsgrund wieder eine Lüge ist.
“… Polen hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen! Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten! Wer mit Gift kämpft, wird mit Giftgas bekämpft. Wer selbst sich von den Regeln einer humanen Kriegsführung entfernt, kann von uns nichts anderes erwarten, als dass wir den gleichen Schritt tun. Ich werde diesen Kampf, ganz gleich, gegen wen, so lange führen, bis die Sicherheit des Reiches und bis seine Rechte gewährleistet sind.“
Adolf Hitler am 1. September 1939 vor dem Reichstag
Anders als im August 1914 gibt es auf den Straßen weder hysterischen Jubel noch patriotische Kundgebungen oder Gesänge. Auf den Straßen sieht man im September 1939 nur ernste Gesichter und zusammengebissene Zähne.
- Die Erinnerungen an den ersten Weltkrieg mit Millionen von Opfern und der chaotischen Nachkriegszeit sind noch frisch. Im August 1939 hatte man gerade an den Ausbruch des Weltkriegs 25 Jahre zuvor erinnert.
Hitler weiß das. “Ein November 1918 wird sich niemals in der deutschen Geschichte wiederholen!”, verkündet er.
Es gibt keine Begeisterung für diesen Krieg, aber auch keinen Widerstand oder offen geäußerte Angst.
„Der Führer wird’s schon richten“ wird zum geläufigen Spruch, mit dem man sich zu trösten versucht. Die Wehrmacht, die Beamtenschaft, die Partei und nicht zuletzt die Deutschen nehmen diesen Krieg hin und funktionieren.
„… Die NS-Führung sorgt dafür, dass es vergleichsweise still im Land ist. Es gibt im August keine Massenveranstaltungen, keine direkten Ansprachen an das Volk, in denen Hitler oder sein Propagandaminister die Stimmung aufheizen, und aus den Volksempfängern erklingt in den letzten Augusttagen auffallend häufig Musik statt mobilisierender Ansprachen..”
Aus: Tillmann Bendikowski, Hitlerwetter: Das ganz normale Leben in der Diktatur: Die Deutschen und das Dritte Reich 1938/39*
Der Sitzkrieg
Schockstarre in ganz Europa.
Spanien 1936, die Sudetenkrise 1938 und die “Erledigung” der mit den Franzosen verbündeten “Rest-Tschechei” im März 1939.
Dieses Mal ist Hitler allerdings zu weit gegangen. Nach dem Überfall auf Polen erklären Briten und Franzosen dem deutschen Reich den Krieg.
Aber sie unternehmen — wieder einmal — nichts. Man hält die hochgerüstete Wehrmacht für zu übermächtig und traut sich nicht, die Deutschen anzugreifen. Keiner wagt es, den ersten Schuss abzugeben.
Wie erstarrt sehen Briten und Franzosen zu, wie Hitlers Wehrmacht im Osten freie Bahn hat, den polnischen Feldzug als „Blitzkrieg“ führen kann und nach wenigen Wochen Polen — wieder einmal — von der Landkarte verschwunden ist.
Im Westen herrscht währenddessen ein eigenartiger Sitzkrieg — Drôle de guerre — komischer Krieg.
Eine historische Chance geht verloren, denn im Westen stehen nur wenige Wehrmacht-Einheiten zur Verteidigung zur Verfügung.
- Hätten Frankreich und Großbritannien während des Polenfeldzugs das Deutsche Reich angegriffen, hätte nach Meinung vieler Historiker dieser Krieg vermutlich schon im Keim erstickt werden können.
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Blitzkrieg und Luftschlacht über England
Die fatalistische Stimmung der Deutschen schlägt nach dem raschen Kriegserfolg in Polen schließlich doch noch in eine Art vertrauensvoller Zuversicht um.
Die Wehrmacht scheint unbesiegbar zu sein.
Nach Polen werden in kurzen konzertierten Feldzügen Dänemark, Norwegen, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, ein Großteil Frankreichs, Jugoslawien und Griechenland erobert und besetzt.
Nach der Kapitulation Frankreichs am 22. Juni 1940 sind die Briten ein Jahr lang Deutschlands einziger verbliebener Kriegsgegner.
Aber auch sie stehen mit dem Rücken zur Wand: Knapp einen Monate nach der Kapitulation der Franzosen befiehlt Hitler die Operation Seelöwe, die Landung in Großbritannien.
Als Vorbereitung beginnt im August 1940 der “Battle of Britain”, die Luftschlacht um England.
Am 9. Mai 1940 hatte Winston Churchill das Amt des Premierministers von Chamberlain übernommen. Es ist ein Schleudersitz.
Doch Churchill kann sich gegen die Appeaser in seinem Kabinett, die auf Verhandlungen mit Hitler drängen, durchsetzen und schwört die Briten auf “Blut, Schweiß und Tränen” im Krieg gegen die Deutschen ein.
Das Durchhalten der Briten rettet Europa. Für den weiteren Kriegsverlauf ist es unermesslich wichtig.
22. Juni 1941: Das “Unternehmen Barbarossa”
Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet der sonst bis an die Grenze zur Paranoia misstrauische Stalin die Zeichen der Zeit nicht erkennt.
Ab März 1941 berichten immer mehr sowjetische Spione von einem nicht enden wollenden Strom deutscher Truppen, die Richtung Osten marschieren.
Täglich brächten bis zu vier Züge deutsche Soldaten und Panzer in die Aufmarschräume in Polen.
Anfang Mai 1941 meldet auch Stalins Top-Spion Richard Sorge nach Moskau, dass ein Angriff der Deutschen mit 150 Divisionen unmittelbar bevor stünde. Geplanter Termin: der 20. Juni 1941.
Aber Stalin wiegelt ab.
Er droht seinen Militärs und Beratern sogar, es würden „Köpfe rollen“, wenn sie ohne seine Erlaubnis Truppen in Marsch setzen.
- Als am 22. Juni 1941 das Inferno des „Unternehmen Barbarossa“, der deutsche Überfall auf die Sowjetunion, beginnt, ist der sowjetische Diktator am Boden zerstört.
Überrumpelt und ratlos zieht er sich auf seine Datscha zurück und ist für mehrere Tage für niemanden zu sprechen.
Siegesfanfarnen: Von der “Wacht am Rhein” bis zur “Russland-Fanfare”
Der Krieg gegen die Sowjetunion macht den Deutschen Angst. Unmut – wenn auch sehr leise geäußert – breitet sich aus.
Um den Wahnsinn einer zweiten Front plausibel zu machen, verkauft man “dem Volk” den Krieg gegen den einstigen Bündnispartner Sowjetunion als Aggression der “Bolschewisten“: Der „russische Aufmarsch gegen die deutsche Grenze“ sei in vollem Gange, heißt es in der Propaganda.
Es sieht fast so aus, als ob Hitler auch dieses Spiel gewinnen könnte.
Die von den stalinistischen Säuberungen in den 1930er Jahren dezimierten sowjetischen Truppen erleiden schwere Verluste und werden von der Wehrmacht Richtung Osten getrieben.
In den Wochenschauen und im Rundfunk jagt eine Siegesmeldung die nächste.
Zur “Die Wacht am Rhein” als “Sondermeldungsfanfare” für den Frankreich-Feldzug kommt „Les Préludes“ von Franz Liszt als “Russlandfanfare”.
Weil Stalin seinen Truppen einen Rückzug unter Androhung der Todesstrafe verbietet, sterben in grauenhaften Kesselschlachten Hunderttausende sowjetische Soldaten oder geraten in deutsche Kriegsgefangenschaft (was oft dem Tod gleichkommt).
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Winter 1941: Der deutsche Vormarsch friert ein und Hitler erklärt den USA den Krieg
Dann setzt im Oktober 1941 der Herbstregen ein, die deutsche Invasion bleibt nach wochenlangem Vormarsch im Matsch vor Moskau stecken.
Im November 1941 gelingt es einigen wenigen deutschen Einheiten noch, die Außenbezirke Moskaus zu erreichen, dann beginnt der gefürchtete russische Winter.
Die Sowjets evakuieren Moskau und bringen sogar den einbalsamierten Leichnam Lenins in Sicherheit. Dann kommt ihnen der russische Winter zu Hilfe. Der Wetterwechsel ist mächtiger als alle ihre Armeen.
Maschinen und Waffen der Deutschen versagen in der klirrenden Kälte.
Viele Soldaten erfrieren, weil man sie im Vertrauen auf einen schnellen Sieg in Sommerausrüstung nach Russland geschickt hat. Die fehlende Winterausrüstung soll nun – viel zu spät – durch Sammlungen in der Heimat beschafft werden.
Der deutsche Vormarsch an der Ostfront friert gerade im russischen Winter fest, als am 7. Dezember 1941 das mit Deutschland und Italien verbündete Japan ohne Kriegserklärung den amerikanischen Marinestützpunkt Pearl Harbour bombardiert.
Am 11. Dezember erklären die mit Japan verbündeten Achsenmächte Deutschland und Italien den USA den Krieg.
Das ist die Wende.
Der amerikanische Präsident Roosevelt hat bereits lange Zeit die bedrängten Briten und die Sowjetunion mit Waffen und Material unterstützt; offiziell in den Krieg eintreten konnte er gegen den Willen einer Mehrheit der Amerikaner nicht.
Pearl Harbour und die Kriegserklärung der Achsenmächte ändern alles.
Der 2. Weltkrieg und die “Endlösung”
Aus dem innereuropäischen Krieg ist ein Weltkrieg geworden, der mit nie gekannter Grausamkeit und zunehmender Brutalität auf allen Seiten geführt wird.
Niemand schert sich mehr um die nach dem ersten Weltkrieg mühsam errungenen Regeln und Konventionen. Ein Menschenleben – sei es das eines Soldaten oder eines Zivilisten – ist nichts mehr wert.
- Es ist kein historischer Zufall, dass am 20. Januar 1942 auf der Wannsee-Konferenz unter Leitung von Reinhard Heydrich die systematische Ermordung von 11 Millionen europäischer Juden beschlossen und bis hin zum Eisenbahntransport organisiert wird.
Rudolf Höß experimentiert im Lager Auschwitz-Birkenau mit Zyklon B, einem Schädlingsbekämpfungsmittel, und probiert es an russischen Kriegsgefangenen aus.
Es ist nicht nur die Banalität, sondern auch die Bürokratie des Bösen: Je schlechter sich der Frontverlauf für die Wehrmacht entwickelt, desto mehr barbarische Anstrengungen steckt man in die “Endlösung”.
Ende 1942 kämpfen in Nordafrika das erste Mal amerikanische gegen deutsche Truppen. Gemeinsam mit Briten und Exil-Franzosen gelingt es ihnen, den deutschen ‘Wüstenfuchs’ Erwin Rommel aus Nordafrika zu vertreiben.
Von dort als Brückenkopf gelingt es ihnen am 10. Juli 1943 in der Operation Husky auf Sizilien zu landen.
Der Luftkrieg im 2. Weltkrieg
Bereits seit Mai 1940 hatte die britische Royal Air Force (RAF) Luftangriffe gegen Ziele in Deutschland geflogen, aber die Entfernung ist riesig und für die britischen Bomber kaum zu bewältigen.
Trotz der geringen Aussichten, dem deutschen Kriegsgegner ernsthaft zu schaden, fliegen sie. Für die Deutschen sind die RAF-Bombardements mehr psychologische Nadelstiche und keine ernsthafte Bedrohung.
Das ändert sich mit dem offiziellen Kriegseintritt der Amerikaner im Dezember 1941.
Für die Briten bedeutet der neue, nun auch offizielle Verbündete, die immens wichtige Verstärkung an Mensch und Material.
- Auch die Strategie der Bombenangriffe ändert sich: Es geht längst nicht mehr nur darum, kriegswichtige Industrieanlagen und die deutsche Infrastruktur lahmzulegen, sondern um die Demoralisierung der Zivilbevölkerung.
Seit dem 14. Februar 1942 gilt die britische “Area Bombing Directive”, also das Flächenbombardement von Siedlungsgebieten. Im Klartext geht es von nun an um das Zerstören von Wohnhäusern. Und ums Töten.
Die deutsche Zivilbevölkerung, die den Krieg bislang hauptsächlich aus den Sondermeldungen im Radio und durch die Bilder der Wochenschau im Kino kennt, bekommt ihn jetzt spüren: In Lübeck beispielsweise am 29. März 1942, in Hamburg am 28. Juli 1943 mit 30.000 Toten in einer einzigen Nacht.
1943: Der totale Krieg
Wollt Ihr den totalen Krieg?“ hatte Propagandaminister Joseph Goebbels in seiner Sportpalastrede vom 18. Februar 1943 in die Menschenmasse gebrüllt und frenetischen Jubel geerntet.
Trotzdem: Für viele Deutschen ist die Schlacht bei Stalingrad mit 700.000 Toten und die Kapitulation der 6. Armee Ende Januar 1943 die psychologische Wende.
Ab diesem Zeitpunkt glauben viele nicht mehr, dass dieser Krieg zu gewinnen ist.
Aber die Angst vor der „rasenden Rachsucht“ der Bolschewisten und die Wut über den „angloamerikanischen Bombenterror“ lassen sie durchhalten.
Seit Stalingrad treibt die Roten Armee die Deutsche Wehrmacht in Richtung Westen.
Im Frühjahr 1944 erreichen sowjetische Kampfverbände die Grenze Rumäniens, der Tschechoslowakei und des ehemaligen Polen.
Die nationalsozialistische Propaganda beschönigt den einsetzenden Rückzug deutscher Truppen an allen Fronten als „Frontbegradigungen“.
Im Radio — vom Volksmund mittlerweile in „Goebbelsschnauze“ umgetauft — wird über Mittel- und Langwelle verkündet, dass die Soldaten der deutschen Wehrmacht erst Heimatboden erreicht haben müssten, um „das Reich” besser verteidigen und die Feinde zurückschlagen zu können.
- Am 6. Juni 1944 beginnt schließlich die lange geplante „Operation Overlord“ – der „längste Tag“: die Landung englischer, amerikanischer, französischer und polnischer Soldaten in der Normandie.
Hitlerjungen und alte Männer werden zum „Volkssturm“ eingezogen, dem letzten Aufgebot. War bis weit in den Krieg hinein die Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung gut, so wird jetzt bemerkbar, dass immer mehr ehemals besetzte Gebiete nicht mehr ausgebeutet werden können.
Flucht ist der Zivilbevölkerung unter Androhung schwerster Strafen verboten. Besonders in Ostpreußen, denn Hitler will der vorrückenden Roten Armee als letztes Aufgebot einen menschlichen „Schutzwall“ entgegenstellen.
Aber die Deutschen sind schon längst kriegsmüde und haben Angst. „Heil Hitler“ — der “Deutsche Gruß” — verschwindet als Begrüßungsformel. Hitler fordert den Kampf bis zum Untergang.
Der Untergang
Als am 12. April 1945 US-amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt überraschend stirbt, frohlockt Hitler für kurze Zeit und hofft auf den Zerfall der alliierten Koalition seiner Kriegsgegner.
Zu seinem Geburtstag am 20. April empfängt er Gäste im Führerbunker. Hitler wird 56 Jahre alt und ist geistig und körperlich ein Wrack.
Als er erfährt, dass SS-Obergruppenführer Felix Steiner den befohlenen Entsatzangriff seiner Armeegruppe in der Schlacht um Berlin als undurchführbar verweigert hat, erleidet er am am 22. April einen Nervenzusammenbruch.
Am 25. April 1945 reichen sich auf der zerstörten Elbbrücke bei Torgau Soldaten der 90. US-Infanteriedivision und der sowjetischen Gardedivision die Hand.
Ost- und Westfront sind jetzt vereint, Berlin von der Roten Armee eingekesselt.
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Drei Tage später, am 28. April 1945, wird Hitler zugetragen, dass Himmler seit Monaten Geheimverhandlungen mit den Alliierten über einen Separatfrieden führt. Er lässt daraufhin Himmlers Kontaktmann Herrmann Fegelein, den Schwager seiner Geliebten Eva Braun, verhaften und erschießen.
Am 29. April verbreitet sich die Nachricht von der Erschießung des italienischen „Duce“ Benito Mussolini und der Misshandlung seiner Leiche.
Am 30. April heiratet Hitler seine Lebensgefährtin Eva Braun.
Danach diktiert er sein politisches Testament.
Er ernennt seinen treuen Gefolgsmann und Hardliner, den Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine, Großadimral Karl Dönitz, zu seinem Nachfolger als Reichspräsidenten und Oberbefehlshaber der Wehrmacht.
Joseph Goebbels soll neuer Reichskanzler werden. Göring und Himmler werden aus der NSDAP ausgeschlossen.
Die Deutschen ruft er zur unbedingten Fortsetzung des Krieges, zur Einhaltung der Nürnberger Rassengesetze und zur weiteren „Vernichtung“ der Juden auf.
Er verteilt Ampullen mit Zyankali und vergiftet seine Schäferhündin.
Am Nachmittag zieht sich Hitler mit Eva Braun zurück.
Sie schluckt Gift, er erschießt sich.
Einen Tag später, am 1. Mai 1945, vergiftet Magda Goebbels im Führerbunker ihre sechs kleinen Kinder.
Exakte Schätzungen gibt es nicht, aber es wird vermutet, dass etwa 60 Millionen Menschen ihr Leben verloren haben. Ungezählt bleiben die Millionen, die verletzt, obdachlos, vertrieben, deportiert oder inhaftiert wurden.
4474 Tage dauerte das “1000-jährige Reich” auf deutschem Boden.
Dann brach es am 8. Mai 1945 in einem Inferno aus Blut, Tränen und Millionen Toten zusammen.
Es hinterließ unermessliches Leid, das niemals in Vergessenheit geraten oder geleugnet werden darf.
Copyright: Agentur für Bildbiographien, www.bildbiographien.de, 2015 (überarbeitet 2024)
Lesen Sie im nächsten Beitrag: Volksgemeinschaft hin oder her — in den Augen der meisten Einheimischen sind die Flüchtlinge die „Polacken“, die ihnen das Wenige, das sie nach dem verlorenen Krieg noch haben, wegnehmen wollen.
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Weiterführende Beiträge:
Deutschland 1937: Das „Dritte Reich“ ist für viele Deutsche zu einer Art „Wohlfühldiktatur“ geworden mit Vollbeschäftigung und Volksgemeinschaft. Nur die Angst vor einem möglichen neuen Krieg trübt die gute Stimmung. Die Angst ist real: Im November 1937 spricht der “Führer” erstmals im kleinen Kreis über den konkreten Zeitplan eines kommenden Krieges (aufgezeichnet als “Hoßbach-Protokoll”)
Deutschland 1937: Der Weg in den Zweiten Weltkrieg
Joseph Goebbels: Der Reichspropagandaminister verstand es, sich, seine Frau und seine sechs Kinder in Szene zu setzen — und nebenbei als ‘Bock vom Babelsberg’ ein anstrengendes Zweitleben zu führen. Über eine der schillerndsten und merkwürdigsten Paare des ‘Dritten Reichs’ — Joseph und Magda Goebbels.
Magda Goebbels (2): “Der Bock von Babelsberg”
Alltag im “Dritten Reich”: Während die Deutschen im „Dritten Reich“ finanziell gerade so über die Runden kommen, viel Geld für die verschiedenen NS-Organisationen spenden (müssen) und mühsam auf kleine Annehmlichkeiten wie ein eigenes Rundfunkgerät sparen, gibt es einen Mann, der im NS-Staat immer reicher wird. Es ist der „Führer“ selbst – Adolf Hitler.
Hitlers Millionen: Wie sich der „Führer“ an Deutschland bereicherte
Kriegswirtschaft: 1938 geht es den Deutschen wirtschaftlich so gut wie nie, aber das „Dritte Reich“ steht kurz vor der Staatspleite. Allerhöchste Zeit für die ‘Kriegswirtschaft’ im Dritten Reich: sparen, plündern und vernichten
Krieg, Hunger und Vernichtung: Adolf Hitler, die deutsche Wirtschaft und der 2. Weltkrieg
Adolf Hitler und seine Anhänger: Schläge und Schweigen, Verdrängen und Neu-Inszenieren sind die Muster, mit denen die ‘Erziehung mit harter Hand’ von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Über Alice Miller, Hitlers Mitläufer und Mörder — und über schwarze Pädagogik, die aus Opfern Täter macht.
Die Erlaubnis zu hassen
Amerikas kranke Präsidenten: Als sich die „großen Drei“- Churchill, Roosevelt und Stalin – im Februar 1945 in Jalta auf der schönen Halbinsel Krim treffen, um über die Zukunft der Welt nach Hitler zu konferieren, sitzen da nicht nur die zukünftigen Sieger des 2. Weltkriegs zusammen, sondern auch drei schwerkranke Männer, die mit einem Bein (Roosevelt mit eineinhalb) im Grab stehen.
Amerikas kranke Präsidenten – die schwachen Seiten der Männer im Weißen Haus
Hitlers Krieg: Der „Gröfaz“ (größter Feldherr aller Zeiten) war ein lausiger Militärstratege. Ihm waren Wetter, Wegstrecken und Bodenbeschaffenheit völlig egal. Im 2. Weltkrieg trifft er mehrere schwerwiegende Fehlentscheidungen und verzockt dadurch sein anfängliches Kriegsglück.
Hitlers Krieg: Größter Feldherr aller Zeiten?
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Operation “Market Garden” 1944: Die Brücke von Arnheim
Welt Geschichte: 35.000 Fallschirmjäger sollten den Krieg beenden
Bildnachweise:
Original: Nach Kriegsende, Heilbronn 1945 After the end of the war, 1945, By US Army, Public Domain
Original: Einwohner von Eger beim Einrücken deutscher faschistischen Verbände. Herausgabedatum: 5. Oktober 1938, Scherl / Weltbild, Bundesarchiv, Bild 183-H13160 / CC BY-SA 3.0
Sprachverteilung in der Tschechoslowakei um 1930, „Tschechoslowakei Sprachverteilung um 1930 — erstellt 2008–10-29“ von derivative work: Henry Mühlpfordt (talk)Czechoslovakia1930linguistic.jpg: Mariusz Pazdziora — Czechoslovakia1930linguistic.jpg. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons
Original: Sowjetunion, August 1939, Im Moskauer Kreml wird am 23.8.1939 ein Nichtangriffsvertrag zwischen dem deutschen Reich und der UdSSR unterzeichnet. Nach der Unterzeichnung im Gespräch J.W. Stalin und der deutsche Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop (r.), Bundesarchiv, Bild 183-H27337/ CC BY-SA 3.0
Die Ruinen von Guernica Das von der Legion Condor zerstörte Gernika. Von Bundesarchiv, Bild 183-H25224 / Unbekannt / CC BY-SA 3.0 de
“Vormarsch unserer Truppen durch die Winterlandschaft vor Moskau. Die Wege sind gefroren und trotz der Kälte geht es leicht vorwärts.” (Kriegsberichter Cusian, 21.11.41), Bundesarchiv, Bild 183-L20813 / CC BY-SA 3.0
Original: „Ostpreußen, Flüchtlingtreck“ von Bundesarchiv, Bild 146‑1976-072–09 / CC-BY-SA 3.0. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 de
Foto aus der sowjetischen Wochenschau 1945: Die sechs getöteten Goebbels-Kinder, gemeinfrei