Das große Sterben: Die Spanische Grippe 1918/19

Der Auslöser der Spanischen Grippe am Ende des 1. Weltkriegs www.generationengespräch.de


Mit einem Trup­pen­trans­por­ter reist ein neu­ar­ti­ges Influ­en­za-Virus aus den USA zu den Schlacht­fel­dern des 1. Welt­kriegs, ver­brei­tet sich in rasen­der Geschwin­dig­keit und beginnt in den Jah­ren 1918 und 1919 sei­nen Todes­marsch rund um die Welt. 

Anfang März 1918 regis­trie­ren US-Mili­tär­ärz­te einen unge­wöhn­lich Anstieg von Grip­pe­er­kran­kun­gen bei ihren Rekru­ten, die nach dem Kriegs­ein­tritt der USA 1917 in Mili­tär­la­gern auf den bevor­ste­hen­den Kampf gegen die Deut­schen vor­be­rei­tet werden. 

Gro­ße Bedeu­tung misst man der Grip­pe­epi­de­mie in der Trup­pe nicht bei, denn die Sol­da­ten, die sich ange­steckt haben, bekom­men zwar Hus­ten und hohes Fie­ber, aber die meis­ten erho­len sich schnell und sind nach weni­gen Tagen wie­der auf den Beinen. 

Was ist schon ein biss­chen Fie­ber und Hus­ten in der Mann­schaft im Ver­gleich zur Früh­jahrs­of­fen­si­ve der Deut­schen ab dem 21. März 1918?

Die Welt hat in die­sem Früh­jahr 1918 ganz ande­re Pro­ble­me als ein paar grip­pe­kran­ke Soldaten.

Der stumme Tod

Viren sind eigen­ar­ti­ge Gebil­de, die im Prin­zip nur aus einem Knäu­el Erb­ma­te­ri­al und ein paar Eiweiß­mo­le­kü­len bestehen.

Bei eini­gen Virus­ty­pen wie den Influ­en­za-Viren (und auch den Coro­na-Viren) wird die­ses Gen­knäu­el mit Pro­te­in-Bei­la­ge von einer Hül­le umge­ben (was sie extrem emp­find­lich gegen Aus­trock­nung macht – ihre Halb­werts­zeit auf Tür­klin­ken und Hän­den ist sehr kurz). 

Mehr gibt es nicht.

Bis heu­te ist umstrit­ten, ob man Viren über­haupt zu den Lebe­we­sen zäh­len kann, denn wesent­li­che Merk­ma­le des Lebens wie bei­spiels­wei­se ein eige­ner Stoff­wech­sel feh­len ihnen komplett.

Viren kön­nen sich nur ver­meh­ren, indem sie als win­zi­ge Pira­ten­schif­fe in die Zel­len eines Lebe­we­sens ein­drin­gen und die geka­per­ten Zel­len aufPro­du­zie­re Virus-Nach­kom­menumpro­gram­mie­ren

Der Erreger der Spanischen Grippe 1918/19
Rekon­struk­ti­on des Erre­gers der Spa­ni­schen Grip­pe 1918/19 18 Stun­den nach Infek­ti­on einer Zellkultur

Im Annek­tie­ren frem­der Orga­nis­men sind Viren äußerst effek­tiv und hin­ter­lis­tig.

Ein teuf­li­sches Meis­ter­stück gelingt ihnen schon beim Entern: Wenn ein Virus zum Bei­spiel durch Nie­sen oder Hus­ten eines Kran­ken als Tröpf­chen in der Nase oder im Mund eines neu­en Wir­tes lan­det, muss es zunächst an des­sen Immun­ab­wehr vorbei.

Den wei­ßen Blut­kör­per­chen also, die stän­dig auf Patrouil­le sind, um frem­de Ein­dring­lin­ge zu erken­nen und aufzufressen. 

Die­se Abwehr kön­nen Viren durch Tar­nen, Täu­schen und Trick­sen umge­hen.
Oder sie schal­ten sie ein­fach ab. 

Abschal­ten“ ist die Stra­te­gie, die Influ­en­za-Viren typi­scher­wei­se ver­fol­gen, und genau das macht sie so gefährlich. 

Purple Death: Der bläulich-schwarze Tod

Im Herbst 1918/19 ent­steht eine neue Virus­mu­tan­te der Spa­ni­schen Grip­pe, die inner­halb weni­ger Stun­den das gesam­te Immun­sys­tem ihrer Opfer lahm­le­gen konnte. 

Gut für ihre eige­ne Kaper­fahrt im neu­en Wirt, aber auch gut für sämt­li­che Bak­te­ri­en, die die von der kör­per­ei­ge­nen Abwehr-Patrouil­le nor­ma­ler­wei­se in Schach gehal­ten wer­den kann. 

Wäh­rend der Pan­de­mie star­ben die Men­schen nicht am Virus, das die Spa­ni­sche Grip­pe aus­lös­te, son­dern sie erstick­ten jäm­mer­lich an einer Art Kol­la­te­ral­scha­den, einer von Bak­te­ri­en ver­ur­sach­ten Lun­gen­ent­zün­dung.

Vie­le Grip­pe-Tote hat­ten durch den Sau­er­stoff­man­gel eine bläu­lich-schwarz ver­färb­te Haut, was der Spa­ni­schen Grip­pe den maka­bren Bei­na­men „Pur­ple Death einbrachte. 

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Der Beginn der moder­nen Medi­zin.
Sön­ke Wort­manns sehens­wer­te Serie über den Beginn des 20. Jahr­hun­derts im Deut­schen Kai­ser­reich. Der rapi­de medi­zi­ni­schen Fort­schritt dank Robert Koch, Rudolf Virch­ow und Paul Ehr­lich, aber auch Wil­helm II. und die wil­hel­mi­ni­sche Epo­che zwi­schen alten Vor­stel­lun­gen und moder­nen Zei­ten.

Sön­ke Wort­mann (Regie), Cha­ri­té*, Uni­ver­sum Film GmbH, 2017 

Das Flandern-Fieber

Eine merk­wür­di­ge Krank­heit mit epi­de­mi­schem Cha­rak­ter ist in Madrid auf­ge­tre­ten, Die Epi­de­mie ist von mil­der Natur, Todes­fäl­le wur­den bis­lang kei­ne gemel­det“, heißt es im Mai 1918 lapi­dar in einer Mel­dung der bri­ti­schen Nach­rich­ten­agen­tur Reu­ters, die im all­ge­mei­nen Kriegs­cha­os fast unterging. 

Die Spa­ni­sche Grip­pe ist im Früh­jahr zusam­men mit der US-Army in Euro­pa ange­kom­men, aber als Bedro­hung wird sie nicht wahrgenommen. 

Man ver­schweigt sie auf bei­den Sei­ten der Front und nur im neu­tra­len Spa­ni­en, wo die Pres­se­zen­sur weni­ger scharf war, wur­de über das Auf­tre­ten der unge­wöhn­li­chen neu­en Krank­heit berichtet. 

So bekam sie ihren Namen — einen, der der Welt kur­ze Zeit spä­ter das Fürch­ten bei­brin­gen soll­te: Die Spa­ni­sche Grip­pe.
(Es wur­de sogar bekannt, dass sich der spa­ni­sche König Alfons der 13. und eini­ge Regie­rungs­mit­glie­der ange­steckt hatten.)

Als der ers­te iden­ti­fi­zier­te Pati­ent gilt der Armee­koch Albert Git­chell, der im März 1918 in Fort Riley im ame­ri­ka­ni­schen Bun­des­staat Kan­sas an Fie­ber, all­ge­mei­nen Glie­der­schmer­zen und Abge­schla­gen­heit sowie Hals­schmer­zen litt.
Noch am glei­chen Tag folg­ten ihm meh­re­re Sol­da­ten ins Laza­rett. Bin­nen fünf Wochen erkrank­ten 1127 Sol­da­ten, 46 von ihnen star­ben. Bald befan­den sich die dort trai­nier­ten Ein­hei­ten auf dem Weg nach Frank­reich.

Ob Git­chell wirk­lich der ers­te Erkrank­te die­ser Pan­de­mie war, sei dahin­ge­stellt. Jeden­falls wur­de er eine Sym­bol­fi­gur wie jener berühm­te ‘Pati­ent zero’, jener Flug­be­glei­ter mit aus­ge­präg­tem Sexu­al­le­ben, der als ver­meint­lich ers­ter AIDS-Pati­ent iden­ti­fi­ziert wurde.”

Aus: Roland D. Gers­te, Wie Krank­hei­ten Geschich­te machen: Von der Anti­ke bis heu­te*

Die Grip­pe kann sich mit höchs­ter Geheim­hal­tungs­stu­fe auf bei­den Sei­ten der Front unge­bremst aus­brei­ten.

Im Früh­som­mer 1918 steigt die Zahl der fie­bern­den und hus­ten­den Sol­da­ten in den klam­men Schüt­zen­grä­ben des Kriegs­jahrs 1918 – Deut­sche eben­so wie Fran­zo­sen, Eng­län­der und Ame­ri­ka­ner – rapi­de an. 

Französische Truppen auf dem Weg nach Verdun
French train hor­ses res­t­ing in a river on their way to Ver­dun. 300 ppi scan of the Natio­nal Geo­gra­phic Maga­zi­ne, Volu­me 31 (1917), page 338: RESERVES CROSSING A RIVER ON THE WAY TO VERDUN

Bei den Deut­schen hieß die Spa­ni­sche Grip­pe noch „Flan­dern-Fie­ber“ oder „Blitz-Katarrh“ und war vor allem ein Ärgernis.

Bei­spiels­wei­se für Erich Luden­dorff, Hin­den­burgs Gene­ral­quar­tier­meis­ter und rech­te Hand, der nun jeden Mor­gen die Her­ren Stab­chefs der Obers­ten Hee­res­lei­tung infor­mie­ren muss­te, wie vie­le Zehn‑, bald Hun­dert­tau­sen­de Grip­peaus­fäl­le es zu ver­zeich­nen gab 

Die rät­sel­haf­te Epi­de­mie unter Sol­da­ten bleibt nicht an der Front, son­dern reis­te als neu­ar­ti­ge „Kriegs­seu­che“ mit den Ver­wun­de­ten in Rich­tung Hei­mat wei­ter.

So erreich­te sie auch Ber­lin und die ande­ren gro­ßen und hun­gern­den deut­schen Städ­te, wo immer mehr Zivi­lis­ten in jedem noch so klei­nen Win­kel des unter­ge­hen­den deut­schen Kai­ser­reichs anstecken.

Verbreitung des Erregers durch Hygiene-Mangel

In einer Zeit, in der es für vie­le Men­schen noch all­täg­lich war, an Infek­ti­ons­krank­hei­ten wie Diph­te­rie, Typhus oder Tuber­ku­lo­se zu ster­ben, lagen in den über­füll­ten Laza­ret­ten an der Front und in den Kran­ken­häu­sern in der Hei­mat Grip­pe- und Typhus-Kran­ke, Ver­wun­de­te und Tote Sei­te an Seite. 

Es gab weder Schutz­maß­nah­me für Ärz­te und Pfle­ge­per­so­nal noch sau­be­re Wäsche. Und auf die Idee, die Grip­pe-Kran­ken von den ande­ren Pati­en­ten zu iso­lie­ren, ist auch nie­mand gekommen. 

„Familie um 1900“ von Original uploader was St.Krekeler at de. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons
„Fami­lie um 1900“ von Ori­gi­nal uploa­der was St.Krekeler at de. Lizen­ziert unter Gemein­frei über Wiki­me­dia Commons 

Selbst das Hän­de­wa­schen und –des­in­fi­zie­ren war in gro­ßen Tei­len der Ärz­te­schaft – mehr als 50 Jah­re nach Ignaz Sem­mel­weis, dem „Ret­ter der Frau­en“ – noch nicht angekommen. 

Sem­mel­weis‘ Erkennt­nis­se, dass das von Bak­te­ri­en ver­ur­sach­te und von Medi­zi­nern durch man­geln­de Hygie­ne über­tra­ge­ne Kind­bett­fie­ber allein durch gründ­li­ches Hän­de­wa­sche wirk­sam bekämpft wer­den kann, wur­de immer noch von vie­len ener­gisch abgestritten. 

Sogar Wis­sen­schafts­grö­ßen wie Rudolf Virch­ow mach­ten ungüns­ti­ge Wit­te­rungs­ver­hält­nis­se oder einen lie­der­li­chen Lebens­wan­del für das Tau­send­fa­che Ster­ben jun­ger Müt­ter und ihrer Babys in Geburts­häu­sern und Kli­ni­ken verantwortlich.

Die ein­fachs­ten hygie­ni­schen Maß­nah­me gal­ten bei vie­len Medi­zi­nern nach wie vor als über­flüs­si­ges und läs­ti­ges Gedöns, das man weg­las­sen konn­te, wenn man es eilig hatte, 

Und da es Ärz­te und Pfle­ge­rin­nen im vier­ten Kriegs­jahr immer eilig hat­ten und zudem auch die Vor­rä­te an Medi­ka­men­ten und Kar­bol erschöpft waren, ver­zich­te­te man lie­ber gleich auf jede Form von Hygiene. 

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Die Spa­ni­sche Grip­pe ist lan­ge Zeit in den Wir­ren des 1. Welt­kriegs und der ers­ten Nach­kriegs­jah­re fast unter­ge­gan­gen — dabei sind an ihr mehr Men­schen gestor­ben als im Krieg.
Den 1. Welt­krieg und sei­ne Fol­gen kann man nicht ohne die Aus­wir­kun­gen die­ser Pan­de­mie ver­ste­hen. Des­halb: sehr lesens­wert!

Lau­ra Spin­ney, 1918 — Die Welt im Fie­ber: Wie die Spa­ni­sche Grip­pe die Gesell­schaft ver­än­der­te*, Carl Han­ser Ver­lag GmbH & Co. KG; 6. Auf­la­ge 2020

Ein Ver­zicht mit kata­stro­pha­len Fol­gen, denn der „Pool“ an Kran­ken wird mit rasen­der Geschwin­dig­keit immer grö­ßer.

Ver­mut­lich im August 1918 kommt es dann zu jener fol­gen­schwe­ren Muta­ti­on in einem der vie­len Infi­zier­ten, der Mil­lio­nen Men­schen zum Opfer fal­len wer­den.
Gene­ti­sche Ver­än­de­run­gen fin­den bei Viren stän­dig statt, meis­tens machen sie das Virus aber eher schwä­cher. In sel­te­nen Fäl­len aber auch tödlicher.

Die neue Mutan­te der Spa­ni­schen Grip­pe ver­brei­tet sich uner­kannt wei­ter, und als man schon glaub­te, das Gröbs­te der neu­en Grip­pe­epi­de­mie über­stan­den zu haben, bricht plötz­lich die zwei­te Wel­le der Epi­de­mie gleich­zei­tig in Frank­reich, Neu­eng­land und West­afri­ka aus. 

Das große Sterben

Nach­dem sich die neue Epi­de­mie aus­brei­tet und immer mehr Men­schen dar­an ster­ben, kön­nen die beun­ru­hi­gen­den Nach­rich­ten über das rät­sel­haf­te neu­ar­ti­ge Fie­ber nicht mehr zurück­ge­hal­ten werden. 

Erst Kopf­schmer­zen, Mat­tig­keit, Glie­der­schmer­zen, Nasen­blu­ten – und dann Exitus.
Der Tod kommt für vie­le, die sich mit der Spa­ni­schen Grip­pe ange­steckt haben, schnell. 

Das gro­ße Ster­ben rafft vor allem die Jun­gen und Kräf­ti­gen zwi­schen 20 und 40 dahin, was unge­wöhn­lich ist, denn bei nor­ma­len Grip­pe­epi­de­mien haben vor allem Alte und Geschwäch­te das höchs­te Sterberisiko.

Beson­ders schlimm wütet die Seu­che zunächst in den Kran­ken­häu­sern und Laza­ret­ten mit einer Mor­ta­li­täts­ra­te von bis zu zehn Pro­zent.

Sie infi­ziert Ärz­te, Pfle­ge­rin­nen und Sani­tä­ter, in vie­len Indus­trie­be­trie­ben fal­len wegen der Grip­pe bis zu einem Drit­tel der Arbei­te­rin­nen und Arbei­ter aus, der Stra­ßen­bahn­ver­kehr und das gesam­te öffent­li­che Leben kommt zum Erliegen. 

Das große Sterben - die Spanische Grippe-Epidemie 1918/19
Poli­zis­ten in Seat­tle wäh­rend der Spa­ni­schen-Grip­pe-Pan­de­mie, Dezem­ber 1918

Die­se zwei­te Wel­le ist nicht harm­los und kann nicht mehr igno­riert wer­den.

Die neue Virus-Mutan­te brach­te den mil­lio­nen­fa­chen Tod: 25 bis 40 Mil­lio­nen Todes­op­fer (ande­re Schät­zun­gen spre­chen sogar von 50 Mil­lio­nen Opfern) bei einer Welt­be­völ­ke­rung von 1,8 Mil­li­ar­den Menschen. 

Mit der Aus­brei­tung der töd­li­chen Seu­che schos­sen ab Herbst 1918 auch die Erklä­rungs­ver­su­che und Ver­schwö­rungs­theo­rien ins Kraut: Es war von einer unge­wöhn­li­chen Form der Lun­gen­pest die Rede, ande­re mut­maß­ten hin­ter der Epi­de­mie den Zorn Got­tes ange­sichts einer aus­ein­an­der­bre­chen­den Welt­ord­nung.

Bei den Kriegs­geg­ner Deutsch­lands hielt sich hart­nä­ckig das Gerücht, dass deut­sche Agen­ten das Virus in die Welt gesetzt hät­ten, um die Fein­de des Kai­ser­reichs zu schwä­chen – ein Mut­ma­ßung, die nicht mehr ganz so absurd und aus der Luft gegrif­fen klingt, wenn man bedenkt, dass es die Deut­schen waren, die Gift­gas als neue furcht­erre­gen­de Waf­fe erfun­den und als Ers­te in die­sen furcht­erre­gen­den Krieg ein­ge­setzt hatten. 

Heu­te weiß man, dass die  Älte­ren jener Tage eine Teil-Immu­ni­tät gegen den neu­en Erre­ger hat­ten, weil sie die Grip­pe-Epi­de­mie Ende des 19. Jahr­hun­derts mit einem ähn­li­chen Influ­en­za-Virus­typ er- und über­lebt hat­ten.

Sie besa­ßen eine Art natür­li­chen Impf­schutz, der den neu­en Erre­ger erken­nen und zurück­drän­gen konn­te, bevor er sein krank­ma­chen­des Werk begin­nen konn­te.
Das Immun­sys­tem der Jun­gen war dage­gen ‚naiv‘ und konn­te nichts gegen den Virus­be­fall ausrichten. 

Die Anga­ben über die Toten schwan­ken stark; zwi­schen 25 Mil­lio­nen und 100 Mil­lio­nen Men­schen sol­len dar­an gestor­ben sein, was bis zu 5 Pro­zent der dama­li­gen Welt­be­völ­ke­rung ausmachte”

Aus: Roland D. Gers­te, Wie Krank­hei­ten Geschich­te machen: Von der Anti­ke bis heu­te*

Quarantäne und Herdenimmunität

Ange­sichts ihrer Hilf­lo­sig­keit war Igno­rie­ren und Abwie­geln lan­ge Zeit die ein­zi­ge Maß­nah­me, die Regie­run­gen und Behör­den der Grip­pe-Pan­de­mie ent­ge­gen­zu­set­zen hatten. 

Erst mit dem Ende des 1. Welt­kriegs und auf Initia­ti­ve eini­ger Wis­sen­schaft­ler und Ärz­te wur­den Grip­pe-Kran­ke in Qua­ran­tä­ne genom­men, Schu­len geschlos­sen und der Rei­se­ver­kehr ein­ge­schränkt, um die wei­te­re Aus­brei­tung zu stop­pen.

Dazu kam, dass immer mehr Men­schen die Spa­ni­sche Grip­pe über­lebt hat­ten und sich kein zwei­tes Mal anste­cken konnten. 

Mit der stei­gen­den Zahl Über­le­ben­der stieg auch die soge­nann­te „Her­den­im­mu­ni­tät“ der Bevöl­ke­rung an, das heißt, die Viren konn­ten sich nicht mehr so schnell aus­brei­ten, weil sie immer häu­fi­ger auf Men­schen mit einem natür­li­chen Immun­schutz trafen. 

Zwei Jah­re lang, bis in die frü­hen 1920er Jah­re, wüte­te der neue Influ­en­za-Sub­typ, der als Spa­ni­sche Grip­pe in die Welt­ge­schich­te einging. 

In den USA star­ben 775.000 Ame­ri­ka­ner den Grip­pe­tod, zehn­mal mehr als in den Schüt­zen­grä­ben. In Deutsch­land gab es 500.000 Grip­pe­to­de und selbst in weit ent­fern­ten Erd­win­keln wie Java oder Samoa erla­gen Tau­sen­de der Kriegsseuche. 

Ein mil­lio­nen­fa­cher Tod, der ver­mut­lich früh­zei­tig hät­te ver­hin­dert wer­den kön­nen, wenn wegen des Welt­kriegs nicht Geheim­hal­tung und Igno­ranz obers­te Prio­ri­tät gewe­sen wären.

Copy­right: Agen­tur für Bild­bio­gra­phien, www​.bild​bio​gra​phien​.de, 2020 (über­ar­bei­tet 2024) 

Buch- und Filmempfehlungen:

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Die gro­ßen Seu­chen, aber auch die Krank­hei­ten der Mäch­ti­gen
haben Geschich­te geschrie­ben. Medi­zin­his­to­ri­ker Gers­te beschreibt fak­ten­reich und span­nend die Aus­wir­kun­gen von Aids, Cho­le­ra, Pest und Syphil­lis auf die Welt­ge­schich­te, geht aber auch den Krank­hei­ten der Mäch­ti­gen von Nero bis Mit­te­rand nach.
Ein groß­ar­ti­ges Buch — sehr lesens­wert!

Roland D. Gers­te, Wie Krank­hei­ten Geschich­te machen: Von der Anti­ke bis heu­te*, Klett-Cot­ta, 2019

New York, 1900:
Oscar-Preis­trä­ger Ste­ven Soder­bergh erzählt in die­ser atem­be­rau­ben­den Serie die Geschich­te des New Yor­ker Kni­cker­bo­cker Hos­pi­tals (kurz: The Knick) mit sei­ner Beleg­schaft um den geni­al-exzen­tri­schen und koka­in­süch­ti­gen Chef­chir­ur­gen Dr. Tha­ckery (Cli­ve Owen). Eine groß­ar­ti­ge Mischung aus Den­ver-Clan (mit erns­ten Pro­ble­men), Zeit­ge­schich­te und dem auf­re­gen­den Auf­bruch in die moder­ne Medi­zin (In man­chen Sze­nen fließt viel Blut … )

Ste­ven Soder­bergh (Regie), The Knick — Die kom­plet­te ers­te Staf­fel*, 2015, FSK 16

Die Geschich­te der Deut­schen gut, über­sicht­lich und ver­ständ­lich erklärt. Neben wich­ti­gen Daten und Fak­ten gibt es vie­le Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und Anek­do­ten, die das Lesen zum Ver­gnü­gen machen und das Ver­ste­hen von his­to­ri­schen Ent­wick­lun­gen erleich­tern. Für’s Nach­schla­gen und zum Quer­le­sen pri­ma geeig­net. Sehr emp­feh­lens­wert!

Chris­ti­an v. Dit­furth: Deut­sche Geschich­te für Dum­mies*, Wiley-VCH Ver­lag GmbH & Co. KGaA, Wein­heim, 2019

Medi­zin & Geschich­te:
Sön­ke Wort­manns span­nen­de Mini-Serie, nicht nur über den rapi­den medi­zi­ni­schen Fort­schritt zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts. Robert Koch, Rudolf Virch­ow, Paul Ehr­lich, Wil­helm II. und die wil­hel­mi­ni­sche Epo­che erwa­chen zum Leben — sehens­wert und infor­ma­tiv

Sön­ke Wort­mann (Regie), Cha­ri­té* , Uni­ver­sum Film GmbH, 2017 

Chris­to­pher Clark,
Geschichts­pro­fes­sor aus Cam­bridge, über die Vor­ge­schich­te des 1. Welt­krie­ges. 900 Sei­ten, die völ­lig zurecht zum Best­sel­ler gewor­den sind — sehr lesens­wert!

Chris­to­pher Clark, Die Schlaf­wand­ler. Wie Euro­pa in den 1. Welt­krieg zog*, Pan­the­on Ver­lag, Ver­lags­grup­pe Ran­dom House GmbH, 2015 

Flo­ri­an Illies’ Meis­ter­werk
über Köni­ge und Kai­ser, Ril­ke, Kaf­ka, Sta­lin, Hit­ler und alle ande­ren, die 1913 zum Som­mer des Jahr­hun­derts wer­den lie­ßen. Her­vor­ra­gend recher­chiert und mit fei­ner Iro­nie geschrie­ben, ein Buch, das mit klei­nen Epi­so­den eine gan­ze Welt erklärt. Jede Sei­te lohnt sich!

Flo­ri­an Illies, 1913: Der Som­mer des Jahr­hun­derts*, S. Fischer Ver­lag GmbH, Taschen­buch, 2015 

Wei­ter­füh­ren­de Beiträge:

Der 1. Welt­krieg: Ver­dun ist eine klei­ne Stadt ohne gro­ße Bedeu­tung. Eigent­lich ist sie kaum der Rede wert. Doch dann beginnt am Mor­gen des 21. Febru­ar 1916 die deut­sche Ope­ra­ti­on „Gericht“ und lässt die beschau­li­che Klein­stadt Ver­dun — wie 27 Jah­re spä­ter auch Sta­lin­grad — zum Syn­onym für die Grau­sam­keit und Sinn­lo­sig­keit von Krie­gen wer­den.
Vor 100 Jah­ren: Die Höl­le von Verdun

Ame­ri­kas kran­ke Prä­si­den­ten: Wil­son, Roo­se­velt, Ken­ne­dy – vie­le ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­den­ten waren so krank, dass sie eigent­lich nicht mehr in der Lage waren, die Amts­ge­schäf­te fort­zu­füh­ren. Aber das hat man in der Öffent­lich­keit immer erst hin­ter­her erfah­ren.
Ame­ri­kas kran­ke Prä­si­den­ten – die schwa­chen Sei­ten der Män­ner im Wei­ßen Haus

Die Wei­ma­rer Repu­blik: 1923. Reichs­kanz­ler Wil­helm Cuno und sei­ne “Regie­rung der Wirt­schaft” ver­su­chen, die Fran­zo­sen aus dem Ruhr­ge­biet zu ver­trei­ben und las­sen dafür Geld dru­cken. Sehr viel Geld. Mit kata­stro­pha­len Fol­gen für die gebeu­tel­te Wei­ma­rer Repu­blik. Es scheint nur noch eine Fra­ge der Zeit bis zum Kol­laps zu sein. Ob zur rech­ten oder lin­ken Revo­lu­ti­on, ist aller­dings nicht klar …
Vom Ruhr­kampf zum deut­schen Oktober

Lebens­qua­li­tät: Das, was die alten Grie­chen und die heil­kun­di­gen Mön­che, Non­nen und ‘Kräu­ter­frau­en’ des Mit­tel­al­ters aus Erfah­rung über Kräu­ter und äthe­ri­sche Öle wuss­ten, wird von der moder­nen Medi­zin wie­der­ent­deckt. Fazit: Die ‘Kraft der fei­nen Düf­te’ ist viel stär­ker als lan­ge Zeit ver­mu­tet wur­de — ganz ohne Hokus­po­kus.
Die Kraft der fei­nen Düfte

Das Gene­ra­tio­nen­ge­spräch im Über­blick: Bio­gra­fien, Lie­be, Opfer, Mord, Krieg und ande­re Geschich­ten der letz­ten 300 Jah­re, die unse­re Welt zu der gemacht haben, die sie heu­te ist.
Das Gene­ra­tio­nen­ge­spräch: Geschichte(n) im Überblick

Link­emp­feh­lun­gen:

Seriö­se Wis­sen­schaft statt Fake-News und Hor­ror­mel­dun­gen aus dem Netz:
Der Pod­cast mit Viro­lo­gie-Pro­fes­sor Chris­ti­an Dros­ten von der Ber­li­ner Cha­ri­té lie­fert aus ers­ter Hand neus­te Erkennt­nis­se zu Ent­wick­lun­gen, Stand der For­schung und Hand­lungs­emp­feh­lun­gen zur aktu­el­len Coro­na-Kri­se:
https://​www​.ndr​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​i​n​f​o​/​C​o​r​o​n​a​v​i​r​u​s​-​V​i​r​o​l​o​g​e​-​D​r​o​s​t​e​n​-​i​m​-​N​D​R​-​I​n​f​o​-​P​o​d​c​a​s​t​,​p​o​d​c​a​s​t​c​o​r​o​n​a​v​i​r​u​s​1​0​0​.​h​tml

Bild­nach­wei­se:

French train hor­ses res­t­ing in a river on their way to Ver­dun. 300 ppi scan of the Natio­nal Geo­gra­phic Maga­zi­ne, Volu­me 31 (1917), page 338: RESERVES CROSSING A RIVER ON THE WAY TO VERDUN. “They shall not pass” is a phra­se which for all time will be asso­cia­ted with the heroic defen­se of Ver­dun. To future gene­ra­ti­ons of French peo­p­le it will bring a thrill of pri­de even sur­pas­sing that enkind­led by the glo­rious “The Old Guard dies, it never sur­ren­ders.” The guar­di­ans of the gre­at fort­ress on the Meu­se have pro­ved them­sel­ves invin­ci­b­le in attack, invul­nerable in defen­se. Public Domain

„Fami­lie um 1900“ von Ori­gi­nal uploa­der was St.Krekeler at de. Lizen­ziert unter Gemein­frei über Wiki­me­dia Com­mons

Rekon­struk­ti­on des Erre­gers der Spa­ni­schen Grip­pe 1918/19 18 Stun­den nach Infek­ti­on einer Zell­kul­tur, gemein­frei

Poli­zis­ten in Seat­tle wäh­rend der Spa­ni­schen-Grip­pe-Pan­de­mie, Dezem­ber 1918, gemeinfrei

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284010coo­kie-checkDas gro­ße Ster­ben: Die Spa­ni­sche Grip­pe 1918/19

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