
Der leichtfüßige digitale Konsument, der immer auf der Suche nach dem nächsten „Kick“ ist, ist ein Traum für die Werbewirtschaft. Aber Konsum ist nicht identitätsstiftend und Facebook-Freunde sind kein Ersatz für echte Freundschaften.
Helfen uns soziale Netzwerke gegen Einsamkeit — oder machen sie alles noch schlimmer?
Asynchron posten…
statt synchron miteinander sprechen
Allein und offline?
Das ist kein „Leben“, zumindest keines, das uns lebenswert erscheint.
„Alleinsein“ (das heißt ohne Smartphone-Kontakt zur Außenwelt) fühlt sich mittlerweile für die meisten Kinder und Jugendlichen wie ein Problem an, das dringend gelöst werden muss.
Das sind keine Unkenrufe der Ewig-Besserwissenden, sondern Ergebnisse mehrerer ernstzunehmender Studien.
- Die Generation „Z“ (also alle, die nach 1996 geboren worden sind) läuft Gefahr, „allein“ mit „einsam“ zu verwechseln.
- Ein langweiliger Facebook- oder Instagram-Post lässt sich schnell wegklicken, ohne dass jemand beleidigt ist. Sitzt man dagegen einem echten Menschen gegenüber, stellt man schnell fest, dass es ein Kunststück ist, Real life Langweilern taktvoll zu entkommen.
- Immer bessere Algorithmen unserer digitalen Schnuller dafür, dass wir nur das zu sehen und zu hören bekommen, was wir sehen und hören wollen.
- Die Botschaften, die wir tagtäglich zu hören bekommen: „Kaufe hier, konsumiere da, mache spontan Schulden und lebe jetzt“.
Unsere schöne neue Welt der Sozialen Medien will uns ganz offensichtlich zu leichtfüßigen Konsumenten machen, die immer auf der Suche nach dem nächsten „Kick“ sind.
Zwischen Fortschritt und Angst
Mrs. Vanderbilt, Gattin des legendären Schiffs- und Eisenbahnkönigs Cornelius Vanderbilt, verkleidete sich einst als Glühbirne, um die Elektrifizierung ihres bescheidenen Heimes in der New Yorker Fifth Avenue mit vielen Gästen und einem rauschenden Fest zu feiern.
Kurze Zeit nach ihrem rauschenden Fest ereilte sie jedoch der Elektro-Schock und sie ließ sämtliche, für teures Geld installierte elektrische Leitungen wieder entfernen.
Der Grund: Ein kleiner Kabelbrand in ihrem Haushalt, ausgelöst durch ein defektes Stromkabel, hatte sie zur Erkenntnis gebracht, dass Strom offenbar doch viel gefährlicher sein konnte, als sie gedacht hatte.
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Viele Menschen nehmen sich die glattpolierten Storys aus sozialen Medien zum Vorbild und fühlen sich schlecht, weil sie das, was ihnen dort vorgespielt wird, nie erreichen (weil es eben nicht erreicht werden kann).
Die britische Psychologin Linda Papadopoulos in einem großartigen Buch über Schein und Sein. Sie analysiert den Druck, der besonders auf jungen Mädchen und Frauen lastet — und zeigt Wege, wie man sich davon befreien kann. Empfehlenswert!
Linda Papadopoulos , Es ist MEIN Leben*. Goldmann Verlag, 2016
Mit dieser Erkenntnis war Mrs. Vanderbilt nicht allein.
Als Elektrizität und Glühlampe gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihren Siegeszug antraten, gab es nicht wenige Fachleute, die vor den zu erwartenden Elektro-Krankheiten warnten: Augendruck, Kopfschmerzen, allgemeines Unwohlsein und ein „vorzeitiges Verlöschen des Lebens“ (was für viele Elektriker jener Tage leider tatsächlich zutraf).
Sogar für Sommersprossen wurde elektrisches Licht verantwortlich gemacht.
Mrs. Vanderbilts gespaltenes Verhältnis zur Neuerung ihrer Zeit — die Glühbirne — zeigt, wie eigenartig wir Menschen oft reagieren..
Einerseits tun wir alles für Entwicklung und Fortschritt, aber sobald das dann eingetreten ist, schlägt die Stunde der Warner und Experten: Aus „Höher, Schneller, Weiter“ wird zu hoch, zu schnell und zu weit.
Schlechte Stimmung gehört zum Leben einfach dazu … schlechte Gerüche nicht.
Ätherische Öle haben einen viel größeren Einfluss auf unser Wohlbefinden, als wir glauben.
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Aber dann ist es meistens zu spät. In der Geschichte der Menschheit wurde bislang jede erfundene Technologie auch eingesetzt.
Wenn nicht heute, dann eben morgen.
Können wir uns Mrs. Vanderbilts Erkenntnis leisten und auf einen der wichtigsten Fortschritte unserer Zeit — Digitalisierung und soziale Medien — verzichten?
Einfach den Stecker ziehen, um uns und unsere Kinder zu schützen?
Die mentale Wegwerfgesellschaft
Ein nettes Spielzeug für den Hausgebrauch, aber nichts wirklich Wichtiges: So in etwa hatte es beispielsweise “Der Spiegel” formuliert, als in den 1980er Jahren die ersten Personal Computer auf den Markt kamen.
Und dann – was ist eigentlich passiert? – hat dieses “Spielzeug” unser Leben komplett umgekrempelt.
Die Welt ist zum Dorf geworden, Sprachbarrieren sind gefallen; wir können fast zeitgleich überall sein und uns über alles und jeden informieren.
Noch nie hatten wir auf der ganzen Welt so viele neue Freunde.
Und so viel Spaß.
- Gleichzeitig waren wir auch noch nie so in Gefahr, einsam und unglücklich zu werden, und außerdem dumm, denn soziale Medien setzen uns in der Regel nur die leicht verdauliche und vorgekaute Kost vor, die zu unserem Weltbild passt.
Denn wir Menschen sind soziale Wesen; die sich ein Leben lang mit den beiden Grundproblemen Einsamkeit und Unsicherheit herumplagen.
Dafür bieten soziale Medien die scheinbar ebenso effektive wie schmerzfreie Lösung an, denn sie erfüllen unsere grundlegenden Bedürfnisse nach Nähe und Zustimmung, aber auch Ablenkung, wenn es uns nicht gutgeht oder wir uns einsam fühlen.
Einsam durch Facebook & Co.?
Jenseits ihrer unschlagbaren Attraktivität wird social media aber auch für weniger schöne Folgen verantwortlich gemacht: Als Google Effect bezeichnen Fachleute beispielsweise die deutlich nachlassende Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit bei Menschen, die ihr Leben, eigenes Nachdenken und Erinnern zu sehr ans Internet delegieren.
Das nächste Bild, die neuste Attraktion sind nur einen Mausklick entfernt, warum sich also mit eigenen Gedanken plagen?
Nur anklicken statt durchdenken ist allerdings auf Dauer für Kopf und Geist eine riskante Angelegenheit, denn ohne trainiertes Gedächtnis sind Menschen nicht in der Lage, längere Analysen durchzuführen oder Erzählungen aufzunehmen.
Lebensglück, das Gefühl ein gelungenes Leben zu führen, schlicht ein „erfülltes Leben“, hat sehr viel mit Selbstbestimmung, Authentizität und manchmal auch mit Plackerei (und dem Erreichen eigener Zielen aus eigener Kraft) zu tun.
Posts und Filme gucken ist zugegebenermaßen lustig und entspannend, wirkt aber nur an der Oberfläche und hat absolut nichts mit den Fähigkeiten zu tun, die bei Vertretern der „Positiven Psychologie“ als Glückszutaten gelten.
Vielleicht werden wir deshalb fast süchtig nach kurzfristiger Bespaßung, weil uns der Sinn für das andere verloren gegangen oder uns zu anstrengend ist?
Also doch: Stecker ziehen?
Geht auch nicht, denn Facebook und Co. sind genau wie die Glühbirne keine Modeerscheinungen und werden nicht einfach wieder verschwinden.
So bleibt nichts anderes übrig, als soziale Medien zu verstehen.
Und zu wählen, wie bei allem anderen auch, das im Überfluss vorhanden ist.
Selbst entscheiden, wann und wie man sie nutzt. Das schaffen wir bei Chips, Schwarzwälder Kirsch und Netflix schließlich auch (meistens) ganz gut.
Es wird mit Sicherheit Tage geben, an denen wir uns mies fühlen und stärker unseren “Suchtmitteln” zusprechen, als uns gut tut. Das ist erlaubt und gehört zum Leben einfach dazu — ohne Regen keine Freude über Sonnenschein.
Aber wenn die Abwärtsspirale zu sehr im eigenen Selbstmitleid versinkt, ist es auch an uns, etwas dagegen zu unternehmen.
Dann muss man sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen.
Aufraffen und beispielsweise ein paar Stunden durch den Wald zu marschieren, wie es der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff in seinem großartigen Buch Mythos Überforderung* empfiehlt.
Ab wann Mrs. Vanderbilt sich endgültig mit der elektrischen Glühbirne ausgesöhnt hat, ist übrigens nicht überliefert.
Irgendwann wird sie es getan haben. Sie starb 1942 im Alter von 67 Jahren, soweit bekannt, weder an den Folgen eines Kabelbrandes noch am Stromschlag.
Lesen Sie im nächsten Beitrag: Der „Flow“ macht‘s! Warum es besser ist, seine Stärken zu stärken, statt Schwächen zu reparieren, und die Geschichte der positiven Psychologie:
Die Energie folgt der Aufmerksamkeit
Copyright: Agentur für Bildbiographien, www.bildbiographien.de, 2019
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Je mehr wir uns in Watte packen und Angstauslösern aus dem Weg gehen, desto stärker und schneller fühlen wir uns überfordert.
Der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff erklärt sehr anschaulich und mit vielen Beispielen aus der Praxis, dass nicht “die Welt da draußen” härter, sondern wir schwächer geworden sind — und was man dagegen tun kann. Empfehlenswert!
Michael Winterhoff: Mythos Überforderung: Was wir gewinnen, wenn wir uns erwachsen verhalten*, Penguin Verlag, 2017
Endlich den fehlenden Knopf annähen, Liegengebliebenes erledigen, Berufliches, Finanzen und Beziehungen angehen und auf Vordermann bringen — auch, wenn’s nicht immer leichtfällt.
101 praktische Tipps für einen einfacheren und stressfreieren Alltag, die leicht zu befolgen sind und Lust machen, sofort loszulegen. Lesenswert!
Talane Miedaner, Coach dich selbst, sonst coacht dich keiner!*, mvg Verlag, 2009
Anstöße für eine zufriedeneres Leben. Wie wir uns selbst gelegentlich in unbefriedigende Lebenssituationen manövrieren — und aus ihnen wieder herauskommen; informativ, verständlich und anhand vieler Beispiele hervorragend erklärt.
Ein sehr inspirierendes Motivations-Buch!
Reinhard K. Sprenger: Die Entscheidung liegt bei dir! Wege aus der alltäglichen Unzufriedenheit*, Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main, 2016
Kein Lob annehmen können, sich immer für alles “schuldig” fühlen
nicht zur Ruhe kommen und nicht entspannen können — vieles, was uns in schlechten Phasen zu schaffen macht, hat seine Wurzeln in längst vergessenen und verschütteten Kindheitserlebnissen. Die Trauma-Therapeutin Dami Charf beschreibt in ihrem Buch, welche Mechanismen uns immer wieder in alte Muster zurückfallen lassen — und wie man daraus wieder herauskommt. Lesenswert!
Dami Charf, Auch alte Wunden können heilen: Wie Verletzungen aus der Kindheit unser Leben bestimmen und wie wir uns davon lösen können*, Kösel-Verlag, 2018
Ivana Chubbuck gehört zu den angesehendsten Schauspiel-Coaches Hollywoods, aber in ihrem Buch geht es um viel mehr als “nur” Schauspieltechnik.
Ein Standardwerk für alle, die mit Schauspiel zu tun haben, aber auch ein tolles Buch für alle anderen, denn Chubbucks Tipps gehen weit über Schauspielerei hinaus und sind auch für den normalen Alltag sehr hilfreich.
Ivana Chubbuck (Autor),Sebastian Gerold (Herausgeber): Die Chubbuck-Technik: The Power of the Actor. Ein Schauspiel-Lehrbuch*, Alexander Verlag, 2017
Weiterführende Beiträge:
Lebenskunst & Resilienz: Im „Erinnern – wiederholen – durcharbeiten“ liegt die Kraft des Schreibens. Gedanken allein sind oft flüchtig. Wer sie dagegen zu Papier bringt, setzt sich noch einmal besonders mit dem auseinander, was ihm im Kopf herumschwirrt und sein Herz bewegt. Wer schreibt, kann sein Leben verändern – und glücklicher werden.
Das Glücks-Tagebuch
Erfolg: Wer ein neues Projekt mit einem inneren “Ich kann nicht” startet, wird es auch nicht können. Und darf sich dann bei sich selbst für eine gelungene Selbstsabotage durch eine erfüllte Prophezeiung bedanken.
Selbsterfüllende Prophezeiungen
Vorbilder: Wie unsere Steinzeitrelikte im Kopf aus Fremden Freunde machen und uns Vorbilder bescheren, die wir nicht wollen. Und wie die dann unser Leben beeinflussen, ohne dass wir es bemerken, geschweige denn auch nur ansatzweise Herr (oder Frau) der Lage sind.
Richtige und falsche Vorbilder
Vergangenheit:
Wir können aus unseren Erinnerungen neue Kraft schöpfen. Oder wir nutzen
sie, um uns noch unglücklicher zu machen. Ob uns Vergangenes nützt oder
zur Stolperfalle wird, liegt ganz bei uns.
Das Spiel mit der Vergangenheit: Erinnern wir uns! Oder lieber doch nicht?
Der normale Wahnsinn: Tipps und Tricks, psychologische Denkfallen und viel Wissenswertes für ein bewusstes Leben finden Sie in unserer Kategorie:
Tipps für den Alltag
Linkempfehlung:
Das Dilemma mit den sozialen Medien ist ein großartiges Netflix-Dokudrama, das zeigt, wie KI uns, unser Leben und unser Weltbild beeinflusst.
Das Dilemma mit den sozialen Medien
Macht das Internet einsam? Romy Anna Erb im Gespräch mit Prof. Erb:
https://www.youtube.com/watch?v=GdP6R1V9Tqs
Bildnachweise:
Agentur für Bildbiographien