1914: Ein alter Kaiser, ein auseinanderbrechender Vielvölkerstaat und jugendliche Attentäter, die bereit sind, für ihre Überzeugung zu morden. Das ist der Stoff, aus dem Albträume sind. Oder Weltgeschichte.
Ein Hintergrundbericht über Kaiser Franz Joseph und seinen Weg in den Ersten Weltkrieg.
Seine k. u. k. (kaiserliche und königliche) apostolische Majestät Franz Joseph I, Kaiser von Österreich und König von Ungarn, scheint eigentlich ein netter Mensch gewesen zu sein — zumindest wenn man dem jungen Karlheinz Böhm als „Franzl“ in Ernst Marischkas Sissi-Filmtrilogie* aus den 1950er Jahren Glauben schenken mag.
In der Realität des Jahres 1914 ist Franz Joseph ein alter, verbitterter Mann, der die Zeichen seiner Zeit schon lange nicht mehr versteht.
Oder sie möglicherweise auch noch nie verstanden hat.
Im Jahr 1914 regierte der 83jährige schon mehr als ein halbes Jahrhundert sein Riesenreich Österreich-Ungarn, einen auseinanderbrechenden Vielvölkerstaat, der von seinen zahlreichen Feinden auch gerne als Völkerkerker bezeichnet wird.
An der schönen blauen Donau
Fast täglich lässt sich der alte Kaiser in seiner vergoldeten Kutsche von acht Schimmeln in sein Büro in der Wiener Hofburg ziehen, um dort zu regieren und alles beim Alten zu halten.
Während Franz Joseph bei seinen Geschäften vielleicht gelegentlich von der schönen blauen Donau oder seiner geliebten Frau Sisi träumt, die 1898 in Genf von einem Attentäter erstochen wurde, braut sich in Wien und andernorts einiges zusammen.

Anders als ihr alter Kaiser sind viele Untertanen vom enormen technologischen Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte beflügelt.
Das Bürgertum ist selbstbewusst geworden, neue Ideen und Lebenskonzepte sind entstanden, zu denen die staubige Bürokratie der 640 Jahre alten Herrschaft der Habsburger nicht mehr passt.
Außer vergoldete Kutschen, Droschken und Radfahrer fahren auf Wiens Alleen seit einiger Zeit auch moderne und gefährliche Neuheiten wie das Automobil in wachsender Zahl.
Auch vor Architektur, Malerei, Musik und Literatur macht die Moderne keinen Halt.
Das kommt beim Wiener Establishment nicht immer gut an: Im März 1913 muss beispielsweise ein „Watsch’nkonzert“ abgebrochen werden, denn nach Tumulten und Handgreiflichkeiten konnte nicht mehr für die Sicherheit des Orchesters garantiert werden.
Die Wiener haben sich an die empörenden Werke zeitgenössischer Komponisten schon fast gewöhnt: Viele bringen zu Konzerten dicke Schlüsselbunde mit, mit denen sie laut klappern, wenn ihnen nicht gefällt, was sie hören.
Aber diese Aufführung im Wiener Musikvereinssaal unter der Leitung von Arnold Schönberg war selbst für routinierte Schlüsselklapperer zu viel des Guten.
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„Alles wird anders“ liegt in der Luft.
Besonders in Wien, aber auch in anderen Haupt- und Großstädten Europas, herrscht Aufbruchs‑, Umbruchs- und auch ein bisschen Weltuntergangsstimmung.
Vieles ist neu, unbekannt, spannend – und auch ein bisschen morbide.

Eine Merkwürdigkeit dieser Zeit ist, dass sich ausgerechnet ein Jahr vor Kriegsbeginn, im Jahr 1913, in der Donaumetropole die beiden kommenden Tyrannen des 20. Jahrhunderts gleichzeitig aufhalten.
Iosseb Wissarionowitsch Dschugaschwili, der sich seit einem Jahr „Stalin“ nennt, ist im Auftrag Lenins vor Ort, um einen grundlegenden Aufsatz über Marxismus und die nationale Frage zu verfassen.
Lenins „Mann für’s Grobe“ logiert während seiner Zeit in Wien im hochherrschaftlichen Appartement des Aristokraten, Heeresoffizier und Marxisten Alexander Trojanowski in der Schönbrunner Schlossstraße 30.
Einige Straßenzüge weiter haust in einem Männerwohnheim in der Meldemannstraße der dreiundzwanzigjährige Adolf Hitler, der sich ziemlich glücklos als Kunstmaler versucht und vom Verkauf seiner handgemalten Postkarten über Wasser hält.
Beide Männer, die zwei Jahrzehnte später als die grausamsten Diktatoren aller Zeiten in die Geschichte eingehen werden, gehen gerne im Park des kaiserlichen Schlosses Schönbrunn spazieren. Ob sie sich dort jemals begegnet sind, ist nicht bekannt.
Panslawismus: Die Serben und der Balkan
Neben Petitessen wie der musikalischen Wiener atonalen Schule haben der Kaiser und sein Hofstaat ganz andere Probleme: Tschechen, Slowaken, Ungarn, Kroaten, Serben, Rumänen, Albaner, Italiener, Ukrainer und Polen — von Amts wegen allesamt Untertanen seiner k. u. k. apostolische Majestät Franz Joseph I.
Mit dem Herzen sind sie aber ganz woanders. Nationalismus ist das Zauberwort, das in jener Zeit viele Menschen in Europa bewegt: Die Vorstellung, dass jedes Volk einen eigenen Staat haben sollte.

Viele Jahrhunderte lang war unter den europäischen Herrschern dynastisch geheiratet worden, man hatte Verträge geschlossen (und wieder gebrochen) und Kriege geführt, um möglichst viel Land und Leute zusammenzuraffen.
Die Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, die bei diesen Manövern hin- und hergewürfelt wurden, spielten keine Rolle. Die einfachen Leute waren Untertanen mal dieser und mal jener Mächtigen; sie waren die unbedeutenden Bauern auf dem globalen Schachbrett der Könige und Kaiser.
Mit zunehmendem Selbstbewusstsein hatten die Untertanen allerdings genug von Fremdbestimmung und Fremdherrschaft, die ihre Familien auseinanderrissen und sie zwangen, in fremden Kulturen zu leben. Unruhen und Spannungen in Franz Josephs Riesenreich wuchsen.
Die Mächtigen stört das zunächst wenig: ím Zeitalter des Imperialismus schaltete man beim Zusammenraffen neuer Bürger und Ländereien sogar noch einen Gang höher. Bei den annektierten Völkern braute sich dafür die Quittung zusammen.
Auch der „Völkerkerker“ Österreich-Ungarn hatte mit wachsenden Schwierigkeiten gegen Nationalisten, Freiheitskämpfern, Rebellen, Freischärlern und Verschwörern zu kämpfen.
“… Ein Krieg zwischen Österreich und Russland”, schrieb Lenin 1913 an Maxim Gorki, “würde der Revolution in Westeuropa sehr nützlich sein. Allerdings kann man sich kaum vorstellen, dass Franz Joseph und Nikolaus uns diesen Gefallen tun werden.”
Aus: Florian Illies, 1913. Der Sommer des Jahrhunderts*
Kaiser Franz Joseph, der Mehrer des Reiches
Die Welt in jenen Tagen ist ein Pulverfass.
Unbeeindruckt von Unruhen und Aufständen gilt bei allen Herrschern Europas trotzdem die Formel: „groß gleich gut“.
Die einen suchen ihren imperialen „Platz an der Sonne“ in Übersee, die anderen, wie etwa Österreich-Ungarn, haben mit Schiffefahren nichts im Sinn und expandieren lieber vor der eigenen Haustür: im Balkan. Kaiser Franz Joseph gefällt sich in der Rolle als „Mehrer des Reiches“, und verleibt sich im Jahr 1908 lieber die von den Türken befreiten Länder Bosnien und Herzegowina ein, anstatt bereits bestehende Probleme in seinem Reich zu lösen.
Kein kluger Schachzug, denn es brodelt im Riesenreich der Habsburger k.u.k. Monarchie und es sind enorme Anstrengungen notwendig, um den jetzt nochmal gewachsenen Nationalitäten-Dampfdruckkessel Österreich-Ungarn unter Kontrolle zu halten.
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Beim imperialen Wettlauf wollen auch die Kleinen mitmischen. Das Königreich Serbien bedient sich der ursprünglich romantischen Idee des „Panslawismus“ – Slawen aller Länder vereinigt Euch! – und verfolgt mit der nicht ganz uneigennützigen Unterstützung des Zarenreiches Russland ebenfalls aggressive und expansive Ziele in seiner Nachbarschaft — also auf dem Balkan.
Gemeinsam ist allen, dass sie mehr Macht, mehr Einfluss und mehr Land haben wollen. Mit dieser Strategie ist Ärger vorprogrammiert: Wenn alle “mehr” wollen, wird es irgendwann eng.
Bereits im Vorfeld des Jahres 1914 jagt eine weltpolitische Krise die nächste, und nicht nur Militärs und Politiker haben sich schon längst an den Gedanken gewöhnt, dass es irgendwann zum Knall kommen wird. Allerdings rechnen alle mit einem kleinen.
Warum Franz Ferdinand?
Terroristische Anschläge auf hochgestellte Persönlichkeiten waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts „en vogue“. Oft wurden sie in erster Linie verübt, um ein Zeichen zu setzen — ein Beispiel dafür ist die ebenso sinnlose wie tödliche Messerattacke auf Kaiserin Sisi in Genf im Jahr 1898.
In den Augen der serbischen Attentäter war das Attentat auf den Erzherog und seine Frau nicht sinnlos, sondern eine Notwendigkeit. Und eine Gelegenheit. Führende serbische Politiker und Militärs kannten und unterstützten die Anschlagspläne der Schwarzen Hand, jener Geheimorganisation, die mit gewaltsamen Mitteln die Vereinigung Serbiens mit Bosnien und Herzegowina erzwingen will.
Unter anderem ließen sie dem 19jährigen Gavrilo Princip das Schießen beibringen.

Warum allerdings ausgerechnet der österreichischen Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, als Attentatsopfer ausgewählt wurde, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Franz Ferdinand galt bei Hofe in Wien als ultramodern und war deswegen bei seinem Onkel, Kaiser Franz Joseph, und dem Wiener Hofstaat äußerst unbeliebt.
Am plausibelsten ist daher die Vermutung Christopher Clarks, dass es Franz Ferdinand mit seinen Reformplänen nicht nur für das Habsburger Establishment zu bunt trieb, sondern auch für die Serben.
Man habe im Königreich Serbien befürchtet, so Clark, dass der Erzherzog nach dem Tod des alten Kaisers wichtige Strukturreformen durchführen und Kroatien, Bosnien und Dalmatien zu einem eigenständigen, dritten Reichsteil der k.u.k. Monarchie zusammenschließen würde. Wären diese Reformen umgesetzt worden, hätte die Schwarze Hand und ihre Hintermänner das eigene Projekt — die panslawistischen Vereinigung aller Serben in einem eigenen Staat — ad acta legen können.
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Der Attentatsversuch
Das Attentat der jugendlichen serbischen Verschwörer auf das österreichisch-ungarische Thronfolgerpaar während ihres Staatsbsuches in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo ist lange vorbereitet, verläuft aber völlig chaotisch. Als der Tross der Österreicher am ersten Attentäter vorbeifährt, erkennt er nicht, in welchem Auto der Erzherzog und seine Frau Sophie sitzen, und lässt seine Bombe stecken.
Ein zweiter Attentäter erkundigt sich bei einem Polizisten nach dem richtigen Fahrzeug, zündet, wirft – und rechnet nicht mit der schnellen Reaktion des Chauffeurs, der einen dunklen Gegenstand auf sich zufliegen sieht und Gas gibt.
Franz Ferdinand hebt seinen Arm, um seine Frau zu schützen, die Bombe prallt ab, fällt hinter das offene Verdeck und explodiert erst dort.
Auf dem Weg zum Rathaus fährt die Wagenkolonne noch an mehreren Attentätern vorbei, die aber nichts unternehmen.
So wäre eines der verheerendsten und folgenreichsten Attentate der Weltgeschichte fast verhindert worden.
„Herr Bürgermeister, da kommt man nach Sarajevo, um einen Besuch zu machen, und wird mit Bomben beworfen! Das ist empörend!“, unterbricht Franz Ferdinand Sarajevos Bürgermeister ärgerlich, als der im Rathaus zur Begrüßungsrede für das Thronfolgerpaar ansetzen will.
Man ist peinlich berührt, doch schließlich gelingt es, den Erzherzog zu beruhigen.

Das Attentat auf Franz Ferdinand und seine Frau in Sarajevo
Alle denken, es wäre vorbei.
Es wäre vorbei gewesen, wenn man nicht wegen der Attentatsversuche den Tagesplan und die Fahrtroute der Österreicher geändert hätte.
Offenbar war Gavrilo Princip selbst überrascht, als der Wagen des Erzherzogs nach dem Termin im Rathaus gegen 11 Uhr vormittags ganz in der Nähe seines Standortes vorfährt und dann auch noch anhält, weil der Fahrer beim Wendeversuch den Motor abwürgt.
Princip zieht seine Pistole und schießt aus anderthalb Metern Entfernung auf das Thronfolgerpaar. Zunächst trifft er Erzherzogin Sophie in den Bauch. Ihre Bauchschlagader ist getroffen und in kürzester Zeit verblutet sie qualvoll in den Armen ihres Mannes. Dann zerfetzt eine weitere Kugel Franz Ferdinands Halsvene.
Es ist der 28. Juni 1914.
In Serbien feiert man Vidovdan, den Sankt-Veits-Tag, der Gedenktag an die verheerende serbische Niederlage gegen die muslimischen Osmanen (Türken) in der Schlacht auf dem Amselfeld im Jahr 1389.
Diese Schmach, so glauben viele Serben, ist mit der Ermordung des Thronfolgerpaares der Habsburger nun endgültig getilgt.
Julikrise 1914: Frieden ist keine Option mehr
In Wien denkt niemand an Vidovan.
Stattdessen genießt man einen warmen und schläfrigen Sommersonntag im Prater und in den Kaffeehäusern, als plötzlich die Nachricht über den Anschlag auf das Thronfolgerpaar in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo die Runde macht.
Musik und Gespräche verstummen für kurze Zeit.
Doch kaum ist der erste Schreck vorbei, setzt der heitere Betrieb wieder ein, so, als wäre nichts geschehen.
Der Tod des Thronfolgers wird in den Machtzentralen der k.u.k Doppelmonarchie kaum betrauert, vielen war der Erzherzog einfach zu modern und damit suspekt. Es habe in Wien und Budapest „mehr Erfreute als Trauernde“ gegeben, bemerkte der spätere Außenminister Ottokar Graf Czernin.
Auch der leidgeprüfte Franz Joseph nimmt den Tod seines Neffen und Erben ziemlich emotionslos hin.
Mit Franz Ferdinand ist dem alten Kaiser nun schon der zweite Thronfolger auf unnatürliche Weise abhanden gekommen; denn der erste Thronfolger, Franz Josephs und Sisis gemeinsamer Sohn Rudolf, ist ebenfalls tot. Er hatte sich und seine Geliebte im Jahr 1889 auf Schloss Mayerling erschossen.
Rudolfs Cousin Franz Ferdinand war der nächste in der Thronfolge und übernahm bereitwillig die Aufgaben als Erzherzog und zukünftiger Erbe Franz Josephs.
Sympathisch waren sich der alte Kaiser und sein Neffen allerdings nie.

Der neue Erzherzog dachte für seinen Geschmack und den des Wiener Hofstaates viel zu progressiv. Außerdem wollte er sich partout nicht standesgemäß verheiraten lassen, sondern nahm sich lieber sein „Sopherl“ zur Frau.
1914: Rutschbahn in den Abgrund
Am 4. Juli 1914 wird das ermordete Thronfolgerpaar schmucklos und ohne ein einziges europäisches Staatsoberhaupt oder Vertreter des internationalen Hochadels als geladene Gäste auf Schloss Artstetten begraben. Mit dieser Beerdigung dritter Klasse scheint die Aufregung über den grausamen Anschlag offiziell beendet zu sein.
Doch die Ruhe täuscht.
Denn es waren Serben, die das Attentat auf den unbeliebten Thronfolger und seine Frau verübt haben, und damit wird Sarajevo zur nationalen Frage. Nur ein hartes Durchgreifen, so die weite verbreitete Vorstellung, könne das Auseinanderbrechen des k.u.k. Vielvölkerreiches verhindern und seiner Vormachtstellung auf dem Balkan sichern.
Den Plan dafür gibt es schon länger: Die Angriffspläne gegen Serbien liegen bereits seit 1911 in der Schublade.
Am 6. Juli 1914 trifft aus Berlin jener verhängnisvolle Blankoscheck ein, mit dem das Deutsche Reich Österreich seine bedingungslose Unterstützung für das weitere Vorgehen gegen Serbien zusichert — wohl wissend, dass die Serben mit Russland verbündet sind.
Jubel bricht aus, denn in den Augen vieler Österreicher gelten die hochgerüsteten Deutschen als unbesiegbar.
Die Hardliner am Wiener Hof gewinnen die Oberhand und eine Art Kriegsdiplomatie wird in Gang gesetzt, die sich schon bald nicht mehr stoppen lässt.
Am 23. Juli überreicht man den Serben ein außerordentlich hartes Ultimatum. Man ist sich bewusst, dass es für Serbien unannehmbar ist, denn es greift massiv in seine Staatssouveränität ein. Das wissen alle.
Serbien bittet um Bedenkzeit und hofft auf Verhandlungen.
Am 28. Juli 1914, vier Wochen nach dem verhängnisvollen Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau Sophie, unterzeichnet der 83jährige österreichische Kaiser Franz Joseph in seinem Urlaubsort Bad Ischl die Kriegserklärung gegen die aufmüpfigen Serben.
Sowohl in Berlin als auch in Wien rechnet man nicht mit dem Eingreifen Russlands. Der Zar, so die allgemeine Erwartung, werde dem „Denkzettel“ für Serbien tatenlos zusehen und seinem Bündnispartner nicht zu Hilfe eilen.
Ein „kleiner“, lokal begrenzter Krieg soll es werden, um Druck aus dem Kessel zu nehmen und symbolisch ein paar Grenzen neu zu ziehen.
Es wird zur Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts.
Copyright: Agentur für Bildbiographien, www.bildbiograhien.de, 2017 (überarbeitet 2023)
Lesen Sie im nächsten Beitrag: In Berlin hat man mit Serbien und dem Balkan eigentlich nichts am Hut, denn seine Majestät Kaiser Wilhelm II — auch „Wilhelm das Großmaul”´genannt — sucht den “Platz an der Sonne” in Übersee. Trotzdem gibt es für ihn und seine Entourage gute Gründe, warum die Deutschen beim “Denkzettel für Serbien” mitmischen sollten.
Ein Platz an der Sonne oder: Wilhelm, das Großmaul
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Über die Ermordung der unglücklichen Kaiserin Sisi in Genf:
https://www.spiegel.de/geschichte/mord-an-kaiserin-sisi-1898-luigi-lucheni-stach-mit-der-feile-zu-a-1226403.html
Bilder und Texte rund um die Habsburger Dynastie:
https://www.habsburger.net/de/habsburger
Bildnachweise:
Photo of Franz Josef, Emperor of Austria (1830–1916), ca. 1915, Photographer to the court of His Imperial Majesty, L. Schumann (1843–1912). — Scanned from the book The Imperial House of Hapsburg by Johann Kaufmann. Published by Braxton, 1968. Photo of Franz Josef, Emperor of Austria (1830–1916)
Kaiserin Elisabeth von Österreich mit ihrem Lieblingshund Shadow
Der Wiener Graben, fotografiert von August Stauda um 1890, August Stauda — Ausstellungskatalog des Wien Museums: Blickfänge einer Reise nach Wien
Austria-Hungary 1914, physical/Mapa fizyczna Austro-Węgier 1914. Quelle: Mariusz Paździora, own work, 2008
Gavrilo Princip, from raven.cc.ukans.edu/~kansite/ww_one/photos/greatwar.html
Franz Ferdinand and his wife Sophie leave the Sarajevo Guildhall after reading a speech on June 28 1914. They were assassinated five minutes later. Quelle: Europeana 1914–1918, Autor: Karl Tröstl?